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Seite:WienRel.djvu/7

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ist der von A. A. Michelson angestellte der bekannteste geworden.

Ein parallel der Erdbewegung laufender Lichtstrahl fällt auf eine unter 45° geneigte Glasplatte, geht teilweise durch sie hindurch und wird teilweise senkrecht zur Erdbewegung reflektiert. Beide Teile des ursprünglichen Lichtstrahls werden von einem Spiegel genau rückwärts geworfen und kehren zu der geneigten Glasplatte zurück, von wo sie den Weg gemeinsam zum Beobachter nehmen. Wenn diese beiden Lichtstrahlen bei ruhender Erde gleiche Wege zurücklegen, so werden die Wege ungleich sobald sich die Erde bewegt, wie eine einfache Rechnung zeigt, der nichts anderes zugrunde liegt als das bekannte Problem der Eleaten, wann Achilles eine von ihm verfolgte Schildkröte einholen wird. Die Schildkröte ist hier der mit der Erde forteilende Spiegel, Achilles ist der den Spiegel einholende Lichtstrahl. Die Annahme eines ruhenden Äthers hätte unbedingt einen Unterschied in dem Wege beider Lichtstrahlen zur Folge, der allerdings nur vom Quadrate des Verhältnisses der Erdgeschwindigkeit zur Lichtgeschwindigkeit abhängt, also einer Größe von der Ordnung einhundertmillionstel.

Eine so außerordentliche kleine Größe läßt sich aber doch beobachten, wenn man die beiden Lichtstrahlen zur Interferenz bringt, weil man hierbei noch Bruchteile einer Wellenlänge, die ein halbes tausendstel Millimeter beträgt, messen kann. Wählt man den Weg beider Lichtstrahlen gleich einem Meter, so kann man in der Tat noch so kleine Größen beobachten, wie sie hier in Betracht kommen.

Der negative Ausfall des Michelsonschen Versuchs[1] ist die Erfahrungstatsache, auf der die Relativitätstheorie beruht. Dieser Versuch ist für diese Theorie von gleicher Bedeutung wie das perpetuum mobile für das Gesetz von der Erhaltung der Energie oder des perpetuum mobile zweiter Art für den zweiten Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie. Diese beiden Gesetze haben in ihrer Entdeckungsgeschichte viel Ähnlichkeit mit dem Relativitätsprinzip. Aus der Erfahrung wird allmählich die Einsicht geschöpft, daß es unmöglich ist eine beabsichtigte Wirkung zu erzielen und diese Unmöglichkeit wird als Folge eines allgemeinen Naturgesetzes erkannt.


  1. [32] 2) A. A. Michelson. Americ. Journ. of Soc. (3). 22, S. 120, 1881; Michelson und Morley, ebenda (5), 24, S. 449 1887.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Wien: Die Relativitätstheorie vom Standpunkte der Physik und Erkenntnislehre. Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1921, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WienRel.djvu/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)