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Seite:Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen.pdf/327

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Die Ruinen scheinen sorgfältig durchforscht worden zu sein; nahe bei der Pyramide sieht man noch zwei geflügelte Stiere, deren Köpfe bloß fehlen. An vielen Stellen sind die Marmorplatten, die ehedem die Zimmerwände schmückten, an ihrem ursprünglichen Platze geblieben, und man kann sich einen Grundriß der Zimmer zurechtlegen, die aber alle durchweg sehr eng gewesen zu sein scheinen.

Beinahe alle Winkel der Zimmer haben als Ornament den heiligen Baum. Die wenig weiter sieht man noch zwei Paare geflügelter Stiere und eine kolossale, halb in der Erde steckende Statue.

Der Schutt der Pyramide bildet einen ziemlich hohen Kegel. Die unteren Lagen aus schönen, gehauenen Steinblöcken sind durch die Gänge der Ausgräber noch recht sichtbar.

Um halb ein Uhr begaben wir uns wieder auf die Reise. Gegen zweiundeinhalb Uhr mußten wir ein zweites Wehr, den Zikr-Ismael, überfahren, das viel bedeutender ist als das erstere. Schon geraume Zeit vorher, ehe man das Wehr sieht, hört man bereits das Rauschen des Wassers. Das Wasser hat hier eine sehr große Schnelligkeit und starke Gegenströmungen, die jedoch einem gut gebauten Kellek nichts anhaben können. Im ganzen schienen mir diese beiden Wehre viel weniger gefährlich als die schlimme Passage, die wir zwischen Dschesireh und Mosul passieren mußten.

Gegen vier Uhr erreichten wir den Zusammenfluß des großen Zab mit dem Tigris; das ungestüme, gräuliche Wasser des Zab reißt das trübe Wasser des Tigris[1] mit fort und giebt ihm ein weniger schmutziges Ansehen. Auf dem linken Ufer des Zab trug ein isolierter Hügel ehemals eine Festung.

Die Gegend wird immer ebener; nur einige Hügelreihen laufen an den Ufern des Flusses aus.

Wir fuhren noch, als die Nacht schon angebrochen war; da hörten wir plötzlich ein Geräusch, das von den Schläuchen herrührte, die sich am Kies rieben. Ganz plötzlich wurde Halt gemacht: wir waren auf einer Sandbank mitten im Flusse festgefahren.

Die Kellekdschis versuchten zunächst – aber ohne Erfolg – das Fahrzeug wieder flott zu machen; dann nahmen sie eine Entdeckungsreise vor: Die Sandbank dehnt sich ziemlich weit aus. Da der Kellek gründlich fest lag, so war das beste, daß wir an dem Abende weiter nichts mehr versuchten, sondern uns ruhig dem Schlafe überließen.

6. Januar. Abreise 7½ Uhr.

Mit Tagesanbruch wurde dann auch wieder Hand ans Werk gelegt. Der Fußboden des Kelleks – allerdings ein beweglicher – besteht aus sehr schweren Knütteln. Es ist dies eine Spekulation der Kellekdschis, die in Baghdad das Holz zum Heizen zu einem guten Preise verkaufen wollen. Um den Kellek wieder flott machen zu können, mußte er vor allem erleichtert werden. Wir wählten einen günstigen Ort an der Grenze der Sandbank und transportierten eine Anzahl der

  1. Man rühmt viel das Wasser des Nils. Ich fand durch eigenen Vergleich, daß das Wasser des Tigris dem des Nils unendlich weit vorzuziehen ist. Das Wasser des Tigris ist das beste, das ich jemals getrunken habe. Nur muß man es eine Weile stehen lassen, damit die erdigen Bestandteile Zeit zum Sinnen haben.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/327&oldid=- (Version vom 1.8.2018)