mit der weiter fortgeschrittenen Schärfe der Beobachtung der körperlichen Erscheinung niemals weglassen würde. Es stehen sich da eben zwei grundverschiedene Anschauungen gegenüber, die von entgegengesetztem Ausgangspunkt uns zur Darstellung leiten. Jede beruht auf scharfer Beobachtung, und gerade Oberländer darf beanspruchen, als ein guter Beobachter zu gelten. Es ist ein in seiner Art einziger Genuß, mit dem ruhigen Manne zu sprechen, der in schweigender Gelassenheit die Reden seines Partners anhört und erst, wenn dieser ganz fertig ist, in der Weise darauf repliziert, daß zunächst das, was nicht absolut logisch gedacht ist, richtiggestellt wird. Er spürt die kleinste Lücke in der Folgerichtigkeit der Ideen. Die gleiche Klarheit aber haben seine Illustrationen. Darin liegt ihre zündende Kraft, die in Anbetracht der von ihm gern gepflegten Breite der Schilderung staunenswert ist.
Derselbe Mann aber, der in der Diskussion jeden logischen Fehler richtigstellt, ist die verkörperte Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit und besitzt eine wahrhaft humane Courtoisie. Diese große Einfachheit steht jedoch in einem ganz merkwürdigen, obschon leicht erklärbaren Gegensatz zu seiner Kunst und seinen künstlerischen Liebhabereien. Oberländer ist nicht nur einer der wenigen der älteren Schule, die auf das Positive gingen, sondern der einzige, dem die reiche und große Bewegung gelungen ist. Andere haben auch versucht, Bewegung in die Figuren und Massen zu bringen: aber es sind dann immer doch nur „gestellte“ Bewegungen. Oberländer allein wußte Schwung und Fluß in die Massen zu bringen. Das ist nun das Beste, was er aus dem auf das Heroische gerichteten Stil seiner Zeit holen konnte. Hierin berührt er sich auch sehr nahe mit dem ihm sonst so wenig wahlverwandten Wilhelm Busch, mit dem man ihn so oft zu vergleichen pflegt, obwohl sich ihre beiden Erscheinungen eher fliehen als sich auch nur vergleichsweise zusammenbringen lassen. Aber Busch ist in mancher Hinsicht doch der Name, den man nennen muß, um Oberländers Bedeutung erst recht fest zu fassen. Bei Busch finden sich auch jene heroischen Kompositionen und sogar nicht selten; aber ihnen fehlt, trotzdem sie oft großen Schwung haben, die einleuchtende, unmittelbar wirkende Klarheit, die Oberländers Stil gerade im vielfigurigen Stück besitzt. Erst wenn Wilhelm Busch nur einzelne und wenige Figuren
Karl Voll: Adolf Oberländer. Westermann, Braunschweig 1905, Seite 813. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Voll_Adolf_Oberl%C3%A4nder.djvu/8&oldid=- (Version vom 1.8.2018)