oder Mark Anton sich Anregung für seine Zeichnungen zu holen. Er hat auch keine altmeisterliche Jugendperiode hinter sich wie so mancher andere, der später selbständig wurde. So weit wir ihn verfolgen können, ist er immer er selbst gewesen und hat immer nur aus seiner eigenen Zeit heraus geschaffen. Das ist nun auch der Hauptgrund, daß er unter den Künstlern aus der Pilotygegend der größte und stärkste geworden ist, und daß er der einzige ist, der sich inmitten einer neuentstandenen Kunst seine Wirkungskraft erhalten hat.
Dadurch endlich hat er sich auch von dem sogenannten „Gschnas“ ferngehalten, von dem Tapeziererstil, der bis vor nicht langer Zeit, wie in ganz Europa, so auch in Deutschland und München geherrscht hat. Das ist aber geradezu bewundernswert; denn nicht wenige der ihm gestellten Aufgaben drängten fast mit Notwendigkeit auf die damals übliche sogenannte „historische Treue“ hin. Wie viele Ritter und Burgfrauen mußte er zeichnen, wie viele romanische und gotische Löwen, wie viel stolze Damen der Renaissance und des Barocks! Aber er hat immer mit richtigem Takt gefühlt, daß der Wert nicht in der Treue des Kostüms, sondern in der natürlichen Auffassung der Bewegung und des rein Menschlichen liegt. So ist er um die schlimmen Klippen des pseudohistorischen Stils glücklich herumgekommen. Allerdings hat er bei der Behandlung solcher Themen eine ganz besondere, seinem Talent sehr förderliche Unterstützung insofern erhalten, als sie seinem Sinn für Größe und Kraft sehr entgegenkamen. Hier offenbart sich auf das schönste jene Eigenschaft, die jeder echte Künstler hat, und die man ebensogut Bescheidenheit wie Trotz nennen kann, weil sie von beiden etwas hat; er, der doch mit seinen Zeichnungen gute Stimmung beim Publikum hervorbringen wollte, hat es sich nie einfallen lassen, durch allerlei Nebensächlichkeiten wie die damals so sehr beliebten antiquarischen Details kokettieren zu wollen. Er ist stets beim künstlerischen
Karl Voll: Adolf Oberländer. Westermann, Braunschweig 1905, Seite 815. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Voll_Adolf_Oberl%C3%A4nder.djvu/10&oldid=- (Version vom 1.8.2018)