In seinen sorgfältigen Anmerkungen zu der vortrefflichen Lieder- und Märchensammlung aus Polnisch-Litauen von Leskien und Brugmann gab J. Wollner im Jahre 1882 wohl zum erstenmale in deutscher Sprache eine einheitliche Übersicht der prosaischen Volksüberlieferung aller slavischen Stämme. Die sorgfältigen Inhaltsangaben der einzelnen Märchen erschlossen auch westeuropäischen Märchenforschern die bezaubernde slavische Märchenwelt, welche bereits früher von einzelnen, wie Köhler, Liebrecht, jedoch nur höchst dürftig für die Wissenschaft ausgebeutet worden war. Die čechoslavischen Märchen wurden dadurch zum erstenmale der europäischen gelehrten Welt auf eine wissenschaftlichere Weise zur Kenntnis gebracht, als es in den älteren »Bearbeitungen« von J. Milenovský und J. Wenzig geschehen war.[1] Die Sammlungen der čechoslavischen Märchen sind bei Wollner in drei Gruppen, die böhmische, mährische und slovakische eingeteilt, und mit diesen drei – den wirklichen Verhältnissen nicht entsprechenden[2] – Abteilungen sind die dem eifrigen Forscher zugänglichen čechoslavischen Märchensammlungen erschöpft. Ausser den von ihm angeführten liessen sich noch manche andere schon damals erschienene Sammlungen von gleichem Werte anführen, ausserdem ist ihre Zahl seither beträchtlich gestiegen. Wer z. B. die vortrefflichen vergleichenden Arbeiten des Prof. Polívka zu verfolgen vermag, findet die Zahl der zitierten Quellen gewiss mehr als verdreifacht. Nachdem jedoch somit
- ↑ Volksmärchen aus Böhmen. Breslau: Kern 1853. Westslavischer Märchenschatz. Leipzig, Senf. 3. Aufl. 1870.
- ↑ In die »slovakische« Abteilung werden hier die in Ungarn lebenden Slovaken eingereiht – ohne Rücksicht auf die in Südmähren lebenden Slovaken. Schlesien bleibt überhaupt unberücksichtigt, u. ä.
Václav Tille: Das čechoslavische Märchen. Crosman & Svoboda, Prag 1907, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tille_Das_%C4%8Dechoslavische_M%C3%A4rchen.djvu/1&oldid=- (Version vom 1.8.2018)