sie allein zusammen saßen, entstanden Pausen, die ihm peinlich waren und denen er dann ängstlich zuvorzukommen suchte. Um während der Ferienzeit eine bestimmte Unterhaltung zu haben, fing er an Elisabeth in der Botanik zu unterrichten, womit er sich in den ersten Monaten seines Universitätslebens angelegentlich beschäftigt hatte. Elisabeth, die ihm in Allem zu folgen gewohnt und überdies lehrhaft war, ging bereitwillig darauf ein. Nun wurden mehrere Male in der Woche Excursionen ins Feld oder in die Haiden gemacht, und hatten sie dann Mittags die grüne Botanisirkapsel voll Kraut und Blumen nach Hause gebracht, so kam Reinhardt einige Stunden später wieder, um mit Elisabeth den gemeinschaftlichen Fund zu ordnen und zu theilen.
In solcher Absicht trat er eines Nachmittags ins Zimmer, als Elisabeth am Fenster stand und ein vergoldetes Vogelbauer, das er sonst nicht dort gesehen, mit frischem Hühnerschwarm besteckte. Im Bauer saß ein Kanarienvogel, der mit den Flügeln schlug und kreischend nach Elisabeths Fingern pickte. Sonst hatte Reinhardts Vogel an dieser Stelle gehangen. Hat mein armer Hänfling sich nach seinem Tode in einen Goldfinken verwandelt? fragte er heiter.
Das pflegen die Hänflinge nicht; sagte die Mutter, welche spinnend im Lehnstuhl saß. Ihr Freund Erich
Theodor Storm: Sommergeschichten und Lieder. Duncker, Berlin 1851, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Storm_Sommergeschichten_und_Lieder.djvu/76&oldid=- (Version vom 1.8.2018)