nun flog die Kleine wie ein Vogel mit ihren Kuchen die Treppe hinab und zum Hause hinaus.
Reinhardt schürte das Feuer in seinem Ofen an und stellte das bestaubte Dintenfaß auf seinen Tisch; dann setzte er sich hin und schrieb, und schrieb die ganze Nacht Briefe an seine Mutter, an Elisabeth. Der Rest der Weihnachtskuchen lag unberührt neben ihm; aber die Manschetten von Elisabeth hatte er angeknüpft, was sich gar wunderlich zu seinem weißen Flaußrock ausnahm. So saß er noch, als die Wintersonne auf die gefrorenen Fensterscheiben fiel und ihm gegenüber im Spiegel ein blasses, ernstes Antlitz zeigte.
Als es Ostern geworden war, reiste Reinhardt in
die Heimath. Am Morgen nach seiner Ankunft ging
er zu Elisabeth. Wie groß du geworden bist, sagte
er, als das schöne schmächtige Mädchen ihm lächelnd
entgegenkam. Sie erröthete, aber sie erwiderte nichts;
ihre Hand, die er beim Willkommen in die seine genommen,
suchte sie ihm sanft zu entziehen. Er sah sie
zweifelnd an, das hatte sie früher nicht gethan; nun
war es, als trete etwas Fremdes zwischen sie. — Das
blieb auch, als er schon länger da gewesen, und als
er Tag für Tag immer wiedergekommen war. Wenn
Theodor Storm: Sommergeschichten und Lieder. Duncker, Berlin 1851, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Storm_Sommergeschichten_und_Lieder.djvu/75&oldid=- (Version vom 1.8.2018)