Das nie was guts gelernt, das niemals den Verstand
Hat auf was wichtiges und redliches gewandt,
Die nichts denn Worte nur zu Marckte können tragen,
Zur Hochzeit faulen Schertz, bey Leichen lauter Klagen,
Bey Herren eiteln Ruhm, dran keiner Weißheit Spur,
Kein Saltz noch Eßig ist, als bloß der Fuchsschwantz nur.
Drum dürfen sich auch wol in diesen Orden stecken,
Die niemals was gethan, als nur die Feder lecken.
Ein Schriftling, der kein Buch, als teutsch hat durchgesehn,
Will endlich ein Poet und für gelahrt bestehn.
Es thut ihm eben sanft wenn solche Titul fallen.
Warum nicht? Der im Hoy, ja zwischen Feur und Knallen
Hat einen Vers gemacht? In zweyer Tage Zeit
Hat er ein gantzes Buch fünf Finger dick bereit.
O Meister Hämmerling, leg ab die Leimenstangen.
Geschwindigkeit taugt nichts, als Flöhe nur zu fangen.
Was mit der langen Zeit soll wachsen und bestehn
Das muß nicht okes bocks, wie aus der Taschen, gehn.
Sieh des Maecenas Freund, im setzen wol erfahren,
Gibt guten Versen Zeit von zwey und sieben Jahren.
Zwölfmal hat Cynthius durchrennt sein rundes Pfad,
Eh das Aeneas Lob das Licht gesehen hat.
Itzund wenn einer nur kan einen Reim herschwatzen:
Die Leber ist vom Huhn, und nicht von einer Katzen;
Da heist er ein Poet. Komm, edler Palatin,
Leg deinen Lorbeer-Krantz zu seinen Füssen hin.
Was mag doch Griechenland Homerus Wercke loben
Und Welschland den Virgil? O dieser Dreck schwebt oben.
So gar sticht Teutschland nun die andern Völcker aus,
Greift einen Opitz ehr, als Codrus eine Lauß.
Ja endlich haben wir erlebt die güldne Jahren,
Daß auch das Weiber-Volck läst Spul und Haspel fahren
Und macht ein Kunstgedicht. Sie wenden klüglich für:
Sind nicht die Musen all auch Jungfern gleich wie wir?
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/98&oldid=- (Version vom 1.8.2018)