Nun sag ich gleichwol nicht, daß aus der Schönheit Gaben
Nicht eine keusche Brunst, kan seinen Ursprung haben,
Die Eh und Ehre meint. Ob aber wahre Treu
Beständig unverrückt auch bey Vertrauten sey,
Das lehrt die liebe Zeit. Es kommet oft zusammen
Ein Paar nach seinen Wunsch in nicht geringen Flammen.
Der neu-geschierte Brand geht aus in liechte Loh
Und ist sobald gelöscht als ein versengtes Stroh.
Kaum ist ein halbes Jahr, kaum halb so viel verfloßen;
Die Schön ist nicht mehr schön, es ist der Mann verdrossen,
Will nichts als Herr nur seyn. Das ungewehnte Weib
Sucht irgend anderswo ein beßer Zeit-Vertreib.
Was nur auf süßen Wahn und bloße Schönheit paaret,
Das dauret selten lang, und ist nicht wol verwahret.
O selig ist der Mann! der hie bedachtsam fährt
Und mit Bescheidenheit die erste Liebe nährt.
Der seine Herrschaft weiß, doch allzu hoch nicht spannet,
Nicht gar zu eben sieht, nicht leichtlich flucht noch bannet,
Thut bösen Argwohn ab, vermeidet allen Streit,
Der einen Fehler merckt, doch auch ein Wort verzeiht,
Der einen guten Rath des Weibes nicht verschmähet,
Nicht bloß auf seinen Kopf und funfzehn Augen stehet,
Der alles zwar bestellt, doch nimmt sich gleichwohl an,
Als ob er ohne sie nicht schaffen will noch kan.
To recht, mein Herr, to recht, spricht Käte von der Linden:
Wu will man aber itzt so einen Karrels finden?
Mein Mann, der Hache der, macht mir so manchen Strauß,
Hält, wenn er gsoffen heft, als wie der Teufel Hauß.
Wann aber ich amahl zur Thüren us thu sehen,
A Stendel zwey, drey, vier nach meiner Muhme gehen:
A kleines Trünckel thu: To brummt er wie a Bär
Und was er erstlich greift das nimmt er zum Gewehr.
Wie kan doch diß mein Herr zum Frieden recht gedeyen?
Der Teufel laß also sich reiten und bespeyen.
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/91&oldid=- (Version vom 1.8.2018)