Genoß der Erden-Frucht, und gieng den Eicheln nach;
Als Vieh und Hirte noch auf einer Streue lag;
Als man vor Krieg und Mord sich noch nicht schützen muste;
Als noch die güldne Zeit von keinem Golde wuste;
Als noch kein Geitz nicht war, kein Dieb brach durch die Wand,
Dieweil er weder Geld noch Hängens-würdig fand;
Als Purpur, Seid und Sammt noch keinen Schneider deckte;
Als sich ein Ehren-Mann in rauche Fell versteckte;
Als Wasser war für Wein, die Hand ein fertigs Glaß;
Als man für Zucker-Brodt noch Lauch und Zwiebeln aß;
Zu der Zeit, oder nie, mag wahre Lieb und Treue
Bey Menschen seyn geübt. Ich sag es ohne Scheue,
Zu der Zeit ist vielleicht Pirithous gewest,
Und Theseus, sein Gesell, der Pilad und Orest.
Zu der Zeit hat die Zucht und ehrliches Gemüthe
Mehr Lieb und Treu erweckt, als itzo das Geblüthe
Bey vollen Brüdern thut. Ein schlechter Mund-Bescheid
War damals mehr geacht als itzo Schrift und Eid.
Itzunder ist ein Freund ein seltsam Ding auf Erden,
Ein solcher theurer Schatz, der nicht geschätzt mag werden,
Ein Nachtigal im Herbst, ein edler Diamant,
Ein Phönix in der Luft, nur wenigen bekannt.
Ich sage solch ein Freund, auf den ich fest mag bauen,
Und in geheimer Noth mich sicher anvertrauen,
Der nicht aus falschem Sinn geschmierte Worte gibt,
Nicht mit der Zungen nur und nach der Kunst mich liebt,
Der in der Noth mich kennt, nicht aus dem Spiel sich drehet,
Sobald ein Unglücks-Sturm und trübes Lüftlein wehet,
Der meinen Zustand nicht so gar verächtlich hält,
Weil ich, GOtt Lob und Danck! mehr Bücher zehl als Geld,
Der meine Thorheit nicht zu lauter Tugend machet,
So lang er bey mir ist, und hintern Rücken lachet,
Der wie ein Freund mich schlägt, spart des Ermahnens nicht,
Doch einem Lästerer mit Eifer widerspricht,
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/76&oldid=- (Version vom 1.8.2018)