Den Wunsch des Hertzen an, bringst alles deutlich vor
Und raunest ins Geheim den Göttern nicht ins Ohr,
Wie sonsten wol geschicht. Ist jemand da zugegen;
So ruft man laut heraus: Gib nur in allen Wegen,
O Jupiter, ein Hertz, das dir zu Dienste sey,
Mit Schanden unbefleckt, genügsam, redlich, treu,
Dem Geitz und Wucher feind. Das geht aus vollem Rachen.
Inwendig aber spricht das Hertz von andern Sachen,
Und murmelt bey sich selbst: O daß das gute Glück
Mir an Ducaten geb ein hundert tausend Stück!
O daß mein alter Freund, daß meine reiche Baase
Gar sanft und selig wär bedeckt mit grünem Grase!
O daß Nicanors Sohn, der näher erbt als ich,
Noch heute kriegen möcht den lezten Todes-Stich.
Denn wozu dienet ihm so grosses Gut zu erben,
Des Leben nichtes ist als nur ein täglich Sterben;
Schwartz, mager, häßlich, bleich, vom Fieber ausgezehrt,
Ein Schatten sonder Leib, nicht eines Hellers werth?
Ach möcht ich nur ein Weib mit grossem Gut erwerben,
Die heute käm ins Hauß und morgen möchte sterben.
Sieh wie es Nereus, dem reichen Filtze, glückt,
Der schon die dritte Frau bereits zu Grabe schickt.
Diß ist des Hertzens-Wunsch. Und daß nun solch Begehren
Als heilig und gerecht der Himmel mag erhören:
So gehst du Morgens hin, thust dreymahl einen Guß
Vom Tyber auf das Haupt, entsündigest den Fluß
Der hingelegten Nacht. Nun muß ich eins dich fragen:
Wer ist denn Jupiter? Was wilt du von ihm sagen?
Ist er ein GOtt? gerecht, der Frömmigkeit belohnt,
Den Grund des Hertzens kennt, und keines Buben schont?
Wie darfst du denn von ihm solch schändlich Ding begehren?
Wenn Staius selbst, ein Feind der Tugend und der Ehren,
Ein solches hören solt, er schrie den Himmel an:
O Jupiter! O Mars! O Phöbus! O Vulcan!
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/51&oldid=- (Version vom 1.8.2018)