Versorgt damit sein Nest. So bald die Jungen fliegen,
Befleissen sie sich auch dergleichen Raub zu kriegen.
Der Raben Mutter sucht am Galgen ihr Gewinn,
Und trägt das blutig Aaß den kalen Jungen hin.
So thut ihr kleines auch, so bald es sich kan etzen
Und weiß auf einen Baum ihr eignes Nest zu setzen.
Der Adler fängt ein Reh, das lernet auch sein Kind,
So bald die Fittig ihm nur recht gewachsen sind.
Petronius war toll mit Häuser aufzubauen,
Mocht lieber nichts als Kalck, als Stein und Meissel schauen,
Macht Häuser wie ein Schloß, nahm gantze Strassen ein,
Und solte mit Gewalt das Geld verschleudert seyn:
Noch blieb den Erben gnug. Der Sohn riß alles nieder,
Was kaum gemachet war, und baut es herrlich wieder.
Itzund besitzet er nach vielem Ungemach
Ein Häußlein ohne Thür, und gleichfalls ohne Dach.
Wie aber kommt doch diß? Nach allen bösen Dingen,
Nach allen Lastern pflegt die Jugend selbst zu ringen,
Darf keines Treibers nicht. Nur zu dem Geitz allein
Will sie gemäglich nur und fast gezwungen seyn.
Vielleicht betreuget sie das ernstlich Sauersehen;
Weil er der Tugend gleich pflegt sittsam herzugehen,
Will häußlich seyn genannt, nicht frölich oder wild,
Der Arbeit zugethan, die leere Säckel fült.
Drum wird dem Geitzigen der Ruhm auch beygemessen
Daß er fein räthlich sey, dem Sauffen, Spielen, Fressen
Und aller Hoffart feind: weil er so sorglich spart,
Und jedes Gersten-Korn, wie einen Schatz, verwahrt.
Das lobet Jedermann, insonderheit die Greisen,
Die Jugend auf den Weg des Reichthums anzuweisen:
Dem folge nach mein Kind. Als wenn allein auf Geld
Die höchste Seeligkeit der Menschen sey gestellt.
Doch wie ein Anfang ist in allen andern Dingen;
So hat diß Laster auch den Anfang vom Geringen,
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/41&oldid=- (Version vom 1.8.2018)