Der Mund ist Kirschenroht, die Liljen weisse Wangen
Mit Purpur angemahlt. Die stoltzen Augen prangen
Wie Venus schöner Stern den blauen Himmel ziert,
Wenn er zu Mitternacht den treuen Buhler führt
Biß an der Liebsten Hauß. Der Hals ist gantz umgeben
Mit seinem krausen Haar, als wie mit güldnen Reben.
Wozu noch dieses kommt, daß auch der Ketten Pracht
Die Marmor weisse Haut noch angenehmer macht.
Die Ohren, Stirn und Brust, die beyde Hände funckeln
Von Amethisten Glantz, Rubinen und Karbunckeln,
Von Gold und Diamant. Doch ist es sehr gemein,
Daß dort ein Böhmisch Baur auch will von Adel seyn.
In Kleider Neulichkeit darf niemand ihr sich gleichen.
Sie will daß jederman soll ihrer Hochheit weichen.
Was Teutschland neues hat, was Franckreich lezt erdacht,
Das ist zuerst für sie. Sie ändert ihre Tracht
Fast alle Monat-Zeit. Braucht Jedermann Peruquen;
So weiß sie Haupt und Haar mit Zobeln auszuschmücken,
Legt Flor und Schleyer zu. Wird dieses nachgethan;
So streut sie in den Wind den ausgekämten Mahn,
Gleich wie ein geiles Roß. Wird das gemeine wieder;
So trägt sie einen Hut mit buntem Straußgefieder.
Bald ist sie gantz verkappt. Bald zeiget sie mit Lust
Den aufgequollnen Schatz der offenbahren Brust.
Bald schnürt sie sich behend, und läst ein Höltzlein schnitzen,
Damit sie unvermerckt den schmalen Leib kan spitzen.
Itzt hat sie stumpfe Schu, bald kurtze Stiefel an.
Itzt einen langen Rock, bald Hosen wie ein Mann.
Was die Natur versäumt, wird durch die Kunst ersetzet.
Sie klebet ans Gesicht, wiewol es unverletzet,
Ein schwartzes Pflastermahl, damit der weisse Schein
Der Schnee-gleich-Wollen Haut mag offenbahrer seyn.
Und obgleich Venus selbst möcht ihrer Schönheit weichen;
Noch schämet sie sich nicht mit Farben anzustreichen.
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/27&oldid=- (Version vom 1.8.2018)