Durchsucht ein ieglich Hauß ob was zu tadlen sey.
Da macht sie denn aus nichts ein grosses Stadt-Geschrey.
Da weiß sie was der Schmidt, was Koch und Küster machet:
Wie Hanß die Fraue schlägt: Wie Kuntz der Magd zulachet:
Wie Elfchen hat gekocht: Wie Jäkel hat gefreyt,
Und einen Korb gekriegt: Wie Lieschen vor der Zeit
Bald wird was gutes thun. Was Mettken hat für Kleider,
Die alles schuldig ist dem Kaufmann und dem Schneider:
Wie die und die geberdt. Es ist kein Weib noch Mann,
An welchem sie nicht was zu tadlen finden kan.
Kein Mensch ist ihr gerecht. Kein Nachbar ist ihr eben.
Auch nicht der Mann zuletzt. Gedenckt doch, was für Leben
Ein solcher führen muß. Neid, Hader, Zwist und Zanck,
Das ist sein täglich Brodt. Und wenn er gleich durch Zwang
Sie unterbringen will, sie läst sich doch nicht schrecken.
Gebrauche Fingerkraut, Faust, Peitschen, Prügel, Stecken.
Es ist mit nichts gethan. Wirf sie zu Boden hin.
Zerschlag sie Wollen-weich, so bleibet doch der Sinn
Staal-Stein- und Eisenhart. Sie giebet Flucht. Muß fluchen.
Sie wechselt Wort um Wort. Du magst es auch versuchen
Mit Friede, Lieb und Gunst. Sprich sie gar freundlich an.
Kein Tyger ist so wild, das man nicht zähmen kan
Mit steter Freundlichkeit. Umpfange sie zu küssen.
Heiß sie dein liebstes Hertz, auch wieder dein Gewissen.
Sie wirft dir wiederum, nach angeborner Art,
Die Nägel ins Gesicht, die Finger in den Bart.
Wirst du denn irgend wo mit deinen Freunden zechen,
Sie wird nicht ferne seyn und dir den Segen sprechen
Zwo guter Stunden lang: Nun Schwelger, nun wolauf!
Bekömmt es dir auch wol? sauf, Schelm, sauf, Bettler, sauf,
Und morgen such das Thor. Verschwende deinen Kindern
Und mir und dir zugleich die Kleider von dem Hindern.
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/21&oldid=- (Version vom 1.8.2018)