Den langen Schürtzen hin, darinnen liegt verborgen
Witz, Klugheit und Verstand. Sie weissagt, wenn zu Morgen
Der Specht die Tannen hackt, und wenn ein einigs Ey
zwey Dotter hat, weiß sie, was ihre Deutung sey.
Was guts die Aelster bringt, warum sich Murmer lecket,
Warum die Eule ruft, warum die Magd sich strecket,
Warum die Henne kräht. Sie weiß noch mehr als wol,
Ob jene, die da liegt des Lagers sterben sol,
Und was für eine denn der Mann wird wieder freyen;
Ob auch in diesem Herbst der Flachs wird wol gedeyen.
Sie weiß des dritten Tags nach einer Hochzeit schon,
Ob tragen Gesche wird ein Mägdlein oder Sohn.
Sie weiß ein ieglich Wort dem Pfarr-Herrn nachzurichten,
Jedoch nicht ohne Schimpf, was Mährlein und Geschichten,
Was GOttes Wort gewest. Wird irgend was gedacht,
Und strafbar aufgerückt, sie hat den Mann gemacht.
Sag ein Geheimniß her aus Parazelsens Büchern,
Das nicht zu finden sey in diesen klugen Tüchern.
Sie weiß was Kotian, Alraun und Hockeley,
Was Stein und Phthisikus, Clystier und Pillen sey.
Und nicht nur diß allein. Sie weiß mit tausend Fünden,
Dir Breithut, was sie will, mit Listen aufzubinden.
Dann spricht sie Honigsüß, bald wendet sie den Muth
Und fährt dich schnaubend an, bald ist sie wieder gut.
Daß ist die Dritte nun. Die Vierte war vom Hunde,
Und hält auch seine Weis, annoch auf diese Stunde.
Zuweilen schmeichelt sie, doch ist es bald gethan,
Daß sie den Schifer kriegt, so greinet sie dich an.
Und wie ein frisches Wind das Spur der schlauen Hinden
Durch Berge, Busch und Thal, mit riechen weiß zu finden:
So macht es eben sie. Durchsucht den gantzen Tag
Kirch, Kloster, Krug und Krahm, nur daß sie wissen mag,
Was irgend neues ist. Sie gehet auf und nieder,
Die eine Straß hinauf, die ander kommt sie wieder,
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)