Der Weiber Vorwitz ist schon aller Welt bekannt.
Sie nehmen wol so bald den Daphnis in die Hand,
Als Ristens himmlisch Buch. Gelegenheit macht Stehlen.
Sie möchte wol dadurch ihr einen Daphnis wehlen,
Indem du süsse schläfst, der lieber wär als du.
Und schreiben den Vertrag ihm in den Versen zu.
Auch setz ich, daß ein Weib geübt in solchen Sachen,
Wie etwan müglich ist, was treflichs könte machen:
Woher die liebe Zeit? Mein Urtheil rühret nicht,
Als nur gemeines Volck. Ob schon ein himmlisch Licht
Heldinnen tüchtig macht was köstliches zu schreiben,
Zu setzen ein Gedicht anstatt der Klapper-Schreiben;
Das gehet euch nicht an. Ein Weib die Flachs und Woll
Hauß, Keller, Küchen, Magd und Kind beschicken soll,
Hat mehr denn allzuviel in allen beyden Händen,
Weiß den Verstand und Zeit viel besser anzuwenden.
Zulezt, kein Männer-Witz hat bey den Weibern Art.
Den Männern nur gehört die Feder und der Bart.
Nun hola wo hinaus? Last uns zurücke kehren.
Huy, Blinder, hie geh her, sprach Hans zu seiner Mähren.
Wir lassen nun hinfort die weißen Schürtzen gehn
Und sorgen, wie uns selbst die Hosen recht anstehn.
Noch sag ich, ein Poet muß seyn von solchen Gaben,
Die nicht ein Jedermann, geschweig ein Weib, kan haben.
Kunst, Ubung, steter Fleiß die machen einen Mann,
Der endlich ein Poet mit Ehren heißen kan.
Ja wer nicht von Natur hiezu ist wie gebohren,
Bey dem ist Kunst und Fleiß und Ubung auch verlohren.
Hör was der Römer spricht: Die Stadt gibt jährlich zwar
Der Bürgermeister zwey; iedoch nicht alle Jahr
Kommt ein Poet hervor. So viel hat das zu sagen,
Wenn jemand wil mit Recht das Lorber-Kräntzlein tragen.
Doch diß gilt dahin nicht, daß diese Schwürigkeit
Dich läßig machen soll. Der Gaben Unterscheid
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/100&oldid=- (Version vom 1.8.2018)