Hauptgange unserer Litteratur erkennen lassen. Sie fliessen alle mit in den bunten Wechsel derjenigen Bestrebungen ein, aus denen als die Blüte der Heidelberger Romantik des Knaben Wunderhorn hervorgegangen ist.
Der erste Teil erschien bekanntlich für das Jahr 1806, und Goethes schnell ausgefertigte Anzeige vom Januar 1806, zu der ihn persönliche Neigung für Arnim wie gewohnte Schätzung der Volkspoesie bestimmt hatte, gab der Sammlung vor der litterarischen Welt eine Stellung, der gegenüber der Tadel, welcher sich regte, nicht recht aufkommen konnte. Das von der kritischen Erörterung des Tages unberührte Publikum nahm denn auch die Lieder mit reinem Enthusiasmus auf, und Arnim sowohl wie Brentano empfingen rührende Beweise der dankbarsten Gesinnung. Der herzlich biedere Anselm Elwert, zu Dornburg in Hessen-Darmstadt Amtsverweser, dessen vor mehr denn zwanzig Jahren erschienene Volkslieder dem Wunderhorn Namen, Titelbild und Eingangsstrophen geschenkt hatten, fühlte sich ihnen fortan in persönlicher Freundschaft zugethan. Ein Pfarrer Röther zu Aglasterhausen, der seit Jahren Volkslieder gesammelt hatte, betrachtete seltsam bewegt das Wunderhorn bei dem Verleger Zimmer in Heidelberg und opferte der Freude, es zu besitzen, neidlos seine zierlich geordneten Manuskripte. Dieser Röther war, wie Elwert, in den neunziger Jahren Mitarbeiter an Gräters Bragur (3, 478) gewesen, einer Zeitschrift, die nach dem Vorgange Herders auch das deutsche Volkslied pflegte. Wenn man erwägt, wie nahe Aglasterhausen zu Neunkirchen und Neckarelz gelegen ist, so darf man nach Massgabe gesellschaftlicher Verhältnisse wohl eine persönliche Bekanntschaft zwischen dem Pfarrer Röther und Frau Auguste Pattberg annehmen. Es eröffnete sich alsdann ungesucht einer der vielen denkbaren Wege, auf denen auch die litterarische Beförderung des Volksliedes zu ihrer Kenntnis gekommen wäre. Jedenfalls war sie im Sinne der Genannten eine Freundin des Wunderhorns, das gleich anfangs in ihre Hände gelangte; und es fand sich bald auch für sie eine Gelegenheit, mit den Herausgebern in Verbindung zu treten. Einen gemeinsamen Bekannten hatten sie übrigens an Albert Ludwig Grimm, damals Hauslehrer beim Kirchenrat Schwarz in Heidelberg, der für das Wunderhorn (1, 83) sammelte, und an dessen Persephone auf das Jahr 1806 Frau Pattberg beteiligt war.
Wunderbar ist die anregende Kraft, die gerade vom ersten Bande des Werkes ausging. Die Herausgeber liessen sich keine Mühe verdriessen. Wie Arnim in dem Nachwort des ersten Bandes und in Beckers
Reinhold Steig: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner. Koester, Heidelberg 1896, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Frau_Auguste_Pattberg.djvu/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)