Burgverliesse, und noch manche Überreste aus den schauerlichen Zeiten der Vehmgerichte. Auch ist es der Ort, wo der Günstling des Kurfürsten Karls von der Pfalz, der bekannte Minister Langhans, der nach dessen Tode angeklagt, schuldig befunden, und zu 20jähriger Gefängnissstrafe verdammt war, gefangen sass. Bei diesem Orte hat der Neckar einen Strudel, der den unkundigen Schiffer verschlingen oder seinen Kahn auf den Felsen zertrümmern würde. Auf einer hohen Waldspitze zur Linken liegt, mehr hinabwärts, die alte berühmte Burg Stolzeneck, von welcher noch einige Sagen im Munde des Volkes sind. Am rechten Ufer kommt man nun an das Dörfchen Lindach, und am jenseitigen, etwas weiter hinunter, nach Rockenau, von da erreicht man, immer weiter abwärts, auf derselben Seite, das Dorf Neckarwimmersbach, und bald darauf, auf der entgegengesetzten, das durch Holzhandel und Gewerbfleiss bekannte Städtchen Eberbach. Hier nimmt der Neckar zwei beträchtliche Flossbäche auf, die Gammels- und die Itterbach, wovon die letztere eine besonders heilende Kraft besitzt. Auf einem hohen Berge sieht man noch die letzten Trümmer einer ehemaligen Burg; gegenüber am linken Ufer aber das Örtchen Plaudersbach, und mehr abwärts am rechten den einsamen Neckarhäuser Hof. Jetzt erscheint schon aus der Ferne an des Flusses linkem Ufer die Kapelle von Hirschhorn, sie ist ein Überbleibsel alter Zeit, im Gothischen Geschmack erbaut, hat eine Menge der schönsten farbigen Glasscheiben, worauf theils Familienbilder, theils die Wappen der damals blühenden Geschlechter von Handschuhsheim, Habern und Hirschhorn sich befinden, und dient jetzt dem gegenüber zur Rechten des Flusses liegenden Städtchen Hirschhorn zur Begräbnissstätte. Dieses Städtchen ist sehr alt. Auf dem Berge liegt eine Burg, die noch bewohnt wird, und ein Kloster, welches vor noch nicht langer Zeit aufgehoben wurde. Noch immer umgeben hohe Berge, dichte Waldungen und Steinklippen die Ufer und der Fluss drängt sich mit raschem Laufe zwischen den hohen Bergmassen hindurch. Bald erblickt man zur Linken den hohen über alles emporragenden Dilsberg, ehemals Diebsberg genannt, weil seine Bewohner in den Zeiten des Faustrechts dasselbe fleissig ausübten. Er war ehedessen sehr befestigt, und ist noch merkwürdig durch seinen 126 Klafter tiefen Brunnen, der im Mittelpunkt seiner Tiefe eine eiserne Thüre hat, die in einen unterirdischen Gang führt, welcher unter dem Neckar hindurch nach dem gegenüber gelegenen Schlosse Steinach gegangen seyn soll, in diesem Schlosse, nahe bei dem Städtchen dieses Namens, hauste einst der berühmte Ritter Landschaden von Steinach. In der dortigen Kirche sind noch, in Stein ausgehauen, mehrere Ritter – unter ihnen auch Landschaden, zu sehen. Eine schwarze Tafel erzählt die Geschichte des leztern dem Wanderer.
Ausser jener Burg sind noch drei ähnliche Ruinen alter Schlösser in der Nähe, kaum einen Flintenschuss von einander entfernt, einige nennen sie die Schwester-Burgen, andre geben ihnen drei verschiedene Namen. Von diesen Burgen laufen in der Gegend noch mancherlei wunderbare Sagen umher. Jetzt wird der Fluss von der einen Seite etwas freier, und nähert sich dem artigen Städtchen Nekargemünd; es liegt am linken Ufer, und ist durch den regen Fleiss und die Betriebsamkeit seiner Einwohner bekannt. Die Landstrasse führt von da, immer am Rande des Flusses hinab, bis nach Heidelberg.
Jeder Fremdling, der diese Gegend besucht, wird sich mit Innigkeit der Schönheiten freuen, die er hier bei jedem Schritte erblickt.
Beschreiben lassen sich diese Szenen nicht; der Einheimische bewahrt ihre Bilder in seinem Gemüthe, und für den fremden Reisenden ist es hinreichend, ihn darauf aufmerksam zu machen.
Reinhold Steig: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner. Koester, Heidelberg 1896, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Frau_Auguste_Pattberg.djvu/38&oldid=- (Version vom 1.8.2018)