zu überreden: „Ihr habt schon oft so gesagt“, sprach sie und entlief. Der Kuh nach, kam auch die dritte ans Schloß und ließ sich’s drinnen gut schmecken. Lange saß sie am Tisch, dann suchte sie das neue Bett. Sie huckelte es auf und sah hinaus zum Fenster. Doch sie mußte sich wohl verspätet haben: die Kuh war weit und breit nicht mehr zu erblicken.
Was nun tun? Allein konnte sie den weiten Weg durch den finstern (finstern dunklen) Wald nicht finden. So trug sie denn gefaßt das Bett wieder an den alten Ort und legte sich in Gottes Namen in dasselbe hinein. Als sie hörte, daß es zum Gebet läute, sprach sie andächtig ihr Gebet dazu. Dann lag sie lange ohne einschlafen zu können.
Mit einem Male öffnete sich die Tür. Ein Totenkopf sprang herein, der aß und trank von den Speisen und hüpfte zum Schlusse zum Mädchen ins Bett. Voller Schreck drückte es sich an die Wände. („Da täten wir uns auch fürchten und so a jungs Madla – ka ma sich denken!“) Schließlich aber wandelte sich der garstige Schädel bei ihr in einen jungen Menschen. Der war nicht übel anzusehen, sah ganz gesund aus und hatte frische, rote Wangen. Er erzählte ihr, er sei ein Räuberhauptmann und mit ihm wohnten noch vierzig Gesellen in dem Schlosse, das seien seine Leute.
Bald war das Mädchen eingesperrt und lag gefangen hinter sieben verschlossenen Türen, an deren jede ein Schloß vorgehängt wurde. Da weinte das arme Ding in seinem Elend den ganzen Tag vor sich hin. Doch die alte Frau, die der Gefangenen immer die Suppe zu bringen hatte, faßte Mitleid mit ihr und versprach ihr, sie fortzulassen; aber nicht auf dem gewöhnlichen Wege solle sie gehen, sonst sei es um sie beide geschehen.
Schleunig entfloh das Mädchen und erreichte im Walde einen Heuwagen. Es bat inständig den Bauern, der den Wagen führte, es doch im Heu zu bergen. Aber der war nicht gewillt, sich der Gefahr auszusetzen: „Nein, wenn dann die Räuber kommen, laden sie mir mein ganzes Heu ab und dann wird’s zu spät, um noch in die Stadt zu kommen!“ Voller Angst lief die Entflohene tiefer in den Wald, wo sie einen Backtroghändler mit seinem Wagen traf. Der ließ sie nun unter den untersten Backtrog kriechen. Kaum war dies aber in Ordnung gebracht, da kamen auch schon die Räuber daher, die schon lange auf der Suche nach dem Flüchtling waren. Der Mann aber antwortete keck auf ihre Fragen. Er habe nichts gesehen, obgleich er schon so lange durch den Wald fahre. Da griffen die Gesellen zu und begannen Trog für Trog abzuladen. Wie sie nun halb fertig waren, rief einer, dem’s zu lang dauerte, ungeduldig aus: „Laßt doch lieber den armen Mann weiterfahren, sonst hat er die viele Arbeit nur, bis er alles wieder hübsch oben hat!“ Das ließen auch die anderen gelten und halfen sogar dem Mann beim Wiederaufladen. Der aber fuhr dann im Galopp davon und hielt erst bei jener Mühle, die dem Vater des Mädchens zu eigen war.
Er rief nun den Müller herbei und bot ihm seine Waren an. Die Müllersleute aber waren untröstlich über das Ausbleiben des Mädchens, darum auch wenig geneigt, ihm abzukaufen. Dann aber ließen sich jene
Karl Spiegel: Märchen aus Bayern. Selbstverlag des Vereins für bayrische Volkskunde und Mundartforschung, Würzburg 1914, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spiegel_Maerchen_aus_Bayern.djvu/45&oldid=- (Version vom 1.8.2018)