über die Erde weht, und von Dorf zu Dorf das Hahnengeschrey durch die Nacht zieht, gehn immer noch neue auf, und es nimmt kein Ende. Deswegen können wir auch nie alle sichtbaren Sterne des Himmels auf einmal sehen, nicht einmal die Hälfte, denn es ist ausgemacht, daß sie den Tag hindurch eben so wie bey Nacht ihren stillen Lauf am Himmel fortsetzen, nur daß wir sie nicht wegen der Tageshelle sehen können. Denn wer bey Nacht unter freyem Himmel ist, ich will sagen ein Nachtwächter, ein Feldschütz, ein Fuhrmann, und er gibt nur ein wenig acht, der wird finden, Abends, wenn es dunkel wird, sind ganz andere Sterne am Himmel, als früh, ehe es aufhörte dunkel zu seyn. Wo sind diese hingekommen? wo kommen jene her? Antwort: Sie sind den Tag hindurch untergegangen und auf. Also können wir in der schönsten reinsten Sternennacht kaum die Hälfte sehen, und sind doch so viel, und wenn wir sie geschwind ein wenig zählen wollten, bis wir fertig wären, wären nimmer die nemlichen da, sondern andere; deswegen heißt es mit Recht: So jemand die Sterne des Himmels zählen kann, so wird er auch deine Nachkommen zählen, nemlich die Juden.
Damit nun wir Sternseher (der Hausfreund gehört jezt nimmer zu unser einem) damit wir die Anzahl der Sterne besser in Ordnung halten können, so haben wir gewissen merkwürdigen Sternen einen eigenen Namen gegeben, oder wir haben denen, welche zusammen eine Figur vorstellen, den Namen einer Figur gegeben, z. B. das Creutz, die Krone, oder wir haben um 20 bis 100 Sterne herum in Gedanken eine Linie gezogen, die bald aussieht wie ein Wolf oder ein
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/265&oldid=- (Version vom 1.8.2018)