lernte nach und nach der Staar auch. Da nun täglich viel Leute im Haus waren, weil der Barbier auch Branntwein ausschenkte, so gabs manchmal viel zu lachen, wenn die Gäste mit einander ein Gespräch führten, und der Staar warf auch eins von seinen Wörtern drein, das sich dazu schickte, als wenn er den Verstand davon hätte, und manchmal, wenn ihm der Lehrjung rief: Hansel, was machst du? antwortete er: du Dolpatsch! und alle Leute in der Nachbarschaft wußten von dem Hansel zu erzählen. Eines Tages aber, als ihm die beschnittenen Flügel wieder gewachsen waren, und das Fenster war offen, und das Wetter schön, da dachte der Staar: Ich hab jetzt schon so viel gelernt, daß ich in der Welt kann fortkommen, und husch zum Fenster hin aus. Weg war er. Sein erster Flug gieng ins Feld, wo er sich unter eine Gesellschaft anderer Vögel mischte, und als sie aufflogen, flog er mit ihnen, denn er dachte: Sie wissen die Gelegenheit hier zu Land besser als ich. Aber sie flogen unglücklicher Weise alle miteinander in ein Garn. Der Staar sagte: Wie Gott will. Als der Vogelsteller kommt, und sieht, was er für einen großen Fang gethan hat, nimmt er einen Vogel nach dem andern behutsam heraus, dreht ihm den Hals um, und wirft ihn auf den Boden. Als er aber die mörderischen Finger wieder nach einem Gefangenen ausstreckte, und denkt an nichts, schrie der Gefangene: „Ich bin der Barbier von Segringen.“ Als wenn er wüßte, was ihn retten muß. Der Vogelsteller erschrak anfänglich, als wenn es hier nicht mit rechten Dingen zugienge, nachher aber, als er sich erholt hatte, konnte er kaum
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/239&oldid=- (Version vom 1.8.2018)