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Seite:Schatzkaestlein des rheinischen Hausfreundes.djvu/232

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Mann von seinen Unterthanen mit schmutzigem Bart, zerfetztem Rock und durchlöcherten Pantoffeln, schlug ehrerbietig und kreuzweise die Arme übereinander und sagte: „Glaubst du auch, großmächtiger Sultan, was der heilige Prophet sage?“ Der Sultan, so ein gütiger Herr war, sagte: „Ja ich glaube, was der Prophet sagt.“ Der arme Mann fuhr fort: „Der Prophet sagt im Alkoran: Alle Muselmänner (das heißt, alle Mahomedaner) sind Brüder. Herr Bruder, so sey so gut, und theile mit mir das Erbe.“ Dazu lächelte der Kaiser und dachte: das ist eine neue Art ein Allmosen zu betteln, und gibt ihm einen Löwenthaler. Der Türke beschaut das Geldstück lang auf der einen Seite und auf der andern Seite. Am Ende schüttelt er den Kopf, und sagt: „Herr Bruder, wie komme ich zu einem schäbigen Löwenthaler, so du doch mehr Silber und Gold hast, als 100 Maulesel tragen können, und meinen Kindern daheim werden vor Hunger die Nägel blau, und mir wird nächstens der Mund ganz zusammen wachsen. Heißt das getheilt mit einem Bruder?“ Der gütige Sultan aber hob warnend den Finger in die Höhe, und sagte: „Herr Bruder, sei zufrieden, und sage ja niemand, wie viel ich dir gegeben habe, denn unsere Familie ist groß, und wenn unsere andern Brüder alle auch kommen, und verlangen ihr Erbtheil von mir, so wirds nicht reichen, und du mußt noch herausgeben.“ Das begriff der Herr Bruder, gieng zum Bäckermeister Abu Tlengi, und kaufte ein Laiblein Brod für seine Kinder, der Kaiser aber begab sich in die Kirche, und verrichtete sein Gebet.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/232&oldid=- (Version vom 1.8.2018)