dieses Feuer seine ewige Nahrung faßt, daß es in tausend und aber tausend Jahren nicht abnimmt, und zulezt, wie ein Lämplein verlöscht; denn die gelehrten Leute wissen auch nicht alles, und reiten manchmal auf einem fahlen Pferd. Wer alles wissen will, dem ist schlecht zu trauen, sondern er treibt’s mit seinen Antworten, wie der Matheis, der das Eis bricht. „Hat er keins, macht er eins“ nach dem Sprichwort.
Deswegen will es nun heut zu Tag den Sternforschern und andern verständigen Leuten scheinen, die Sonne könne an sich wohl wie unsere Erde ein dunkler und temperirter, ja ein bewohnbarer Weltkörper seyn. Aber wie die Erde ringsum mit erquickender Luft umgeben ist, so umgibt die Sonne ringsum das erfreuliche Licht, und es ist nicht nothwendig, daß dasselbe auf dem Sonnenkörper selbst eine unausstehliche zerstörende Hitze verursachen müsse, sondern ihre Strahlen erzeugen die Wärme und Hitze erst, wenn sie sich mit der irdischen Luft vermischen, und ziehen dieselbe gleichsam aus den Körpern hervor. Denn daß die Erde eine große Masse von verborgener Wärme in sich selbst hat, und nur auf etwas warten muß, um sie von sich zu geben, das ist daran zu erkennen, daß zwey kalte Körper mitten im Winter durch anhaltendes Reiben zuerst in Wärme, hernach in Hitze, und endlich in Glut gebracht werden können. Und wie geht es zu, je weiter man an einem hohen Berg hinaufsteigt, und je näher man der Sonne kommt, daß man immer mehr in die Hände hauchen muß, und zulezt vor Schnee und Eis nimmer weiterkommt, fragen die Naturkundiger, wenn die Sonne ein sprühendes Feuer seyn soll?
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/015&oldid=- (Version vom 1.8.2018)