uns wie eine Wolke. „Gebt uns frei, Ihr Herren Tschumaken!“ bat Martha für sich, „seid so gnädig!“
„Ja freilich!“ ließ sich ein Tschumak vernehmen, der einem hohen Eichenbaum glich, wie er dastand ohne sich zu rühren, die kurze Pfeife zwischen den Zähnen, und nur die Hände ausstreckte, um uns einzufangen. „Ja freilich! du kennst wohl nicht die Sitte der Tschumaken, mein Mädchen!“ – und verstummte.
Andere begannen mit den Mädchen zu scherzen.
Ich verbarg mich immerfort hinter Martha. Da trat ein Tschumak hervor, schön, wunderschön, dunkel, mit Augen wie ein Adler; er trat vor mich hin, stemmte die Arme in die Seiten und sprach: „Ihr Mädchen – Täubchen! Was ist das für ein Mädchen unter Euch, das so hervorleuchtet wie ein Stern? Wenn es als Fischlein im blauen Meere umherschwimmen würde, finge ich es mit seidenem Netze ein; wenn es als Vöglein umherflöge, lockte ich es mit goldenen Hirsenkörnern; so aber muß ich fragen: wessen Vaters Tochter ist sie?“
Und alle Mädchen antworteten einstimmig: „Des Iwan Samus! des Iwan Samus!“
Daraufhin nahm er mich bei der Hand und fragte: „Du liebliches Zaubermädchen! Erlaubst du, daß ich zu dir Brautwerber schicke?“
Mir dunkelte es vor den Augen; ich war nicht imstande etwas zu entgegnen.
Spät kehrten wir nach Hause heim; die Tschumaken waren wiederum ihres Weges gegangen.
Mich flieht der Schlaf; in meinem Kopfe saust es wie in einer Mühle und das Herz flüstert immer von neuem die lieben Tschumakenworte. Seit jener Zeit ist die Welt für mich gleichsam verändert; jeder Gedanke ist ein Weh … Auch die Mutter begann besorgt und aufmerksam zu werden: „Mein Töchterchen, mein Töchterchen! was ist dir widerfahren? Bist ja ganz abgehärmt, mein Kind!“ Der Vater sagt zwar nichts, betrachtet mich aber auch forschend.
Wenn ich unter den Mädchen erscheine, so umkreisen sie mich: „Warum bist du so traurig? Was hast du im Sinn? Nein, gerade als ob sie Wasser im Munde hätte! – Vielleicht hat dich jemand mit bösem Auge angesehen? Vielleicht umwehte dich irgend ein Wind? Weshalb bist du so, als ob du die Braut eines ungeliebten Mannes wärest? Sage uns die Wahrheit, Domasin-Herzchen!“ Ich schweige fortwährend, bin ängstlich, wenngleich mir mitunter ein inniges Wort unabsichtlich über die Lippen entschlüpft.
„Sieh, du ziehst dich von uns zurück!“ grollen manchmal die Mädchen.
„Was soll ich Euch sagen, Schwestern? Ich bin etwas leidend,“ antwortete ich ausweichend.
„Spielen wir doch Chreschtschyk[1] oder den „König“, bitten sie, und schon nehmen sie einander bei den Händen, reißen mich mit und jagen unter lautem, fröhlichen Gelächter fort, daß die Erde erdröhnt.
„Ach, Ihr Mädchen!“ sagt Martha, „Dumasia hat unser Spiel gar nicht im Sinn; ich weiß ganz gut, von welcher Sehnsucht ihr Herz ergriffen wurde!“
Die Mädchen drängen sich dicht an sie: „Sage es, Martha, du liebes Schwesterchen!“
„Domache gewann einen durchreisenden Tschumaken lieb!“
- ↑ Frühlingsspiel der Mädchen.
: Ruthenische Revue, Jahrgang 2.1904. Verlag der Ruthenischen Revue, Wien 1904, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:RuthenischeRevue1904SelectedPages.pdf/107&oldid=- (Version vom 10.9.2022)