Meinung, daß ich alles das einkaufte? Das fehlte noch, Ihr klugen Köpfe! Als mir beim Verkaufe des Weizens ein Maß zurückblieb, hing sich an mich ein närrischer Krämer: „Machen wir einen Tausch, machen wir einen Tausch!“ sagte er. Ich ging drauf ein, um seiner los zu werden.“
So ersinnt er irgend etwas, um nur nicht einzugestehen, daß er unser gedacht, für uns die Geschenke eingekauft … nie in seinem Leben möchte er das tun! So war er, der Gottselige, mög’ ihm die Erde leicht sein!
Unser Haus war schön, mit einem großen Obst- und Gemüsegarten; da wuchsen Weichseln, Kirschen und Äpfel, welsche Nüsse, Birnen und Schneeballen. Der Hof war geräumig und das Tor neu. Auch im Hause selbst war wohltuende Ordnung zu sehen. Die Bänke und Tische waren aus Lindenholz, die Bilder aus Kiew, schön gemalt und behängt mit gestickten Handtüchern, noch verziert mit Blumen; ringsherum steckten überall Blumen und duftende Kräuter.
Ich vollendete mein sechzehntes Jahr und begann das siebzehnte. Wir feierten gerade Pfingsten, als ich in der Nacht einen sonderbaren Traum hatte. Ich stehe im grünenden Korn, welches mir bis über den Gürtel reicht: rings um mich prangt der Weizen in reichlichen Ähren, rote Mohnblumen lugen daraus und mir gegenüber stehen zwei Vollmonde; der eine ist heller als der andere; beide schweben auf mich zu. Einer sucht dem anderen zuvorzukommen, bis mir einer, und zwar der hellere, in die Hände rollte, während der andere hinter den Wolken verschwand.
Ich erwachte und erzählte, was ich für einen Traum gehabt.
„Sehr sonderbar!“ sagte die Mutter; und dabei lächelte sie zu sich.
„Was diese Mädchen nicht alles träumen!“ ließ sich der Vater vernehmen. „Sieh’! Schon hatte sie den Mond mit den Händen gepackt – just wie den Ochsen bei den Hörnern! was liegt denn am Traum!“
„Warum nicht?“ sagt die Mutter. „Traum ist Schaum, aber der Glaube ist Gott!“
Einmal erbat ich mir vom Vater die Erlaubnis, tanzen gehen zu dürfen. Wir gingen aus dem Dorfe heraus auf eine Anhöhe, wo wir sangen und tanzten. Plötzlich vernahmen wir: „Hei, Hej!“ so laut, daß das Echo in den Bergen wiederhallt. Erschrocken fuhren wir zusammen und blickten dann forschend umher. Den Berg herab kamen Tschumaken[1][WS 1] gefahren. Ihre Ochsen waren grau und falb mit prächtigen gebogenen Hörnern und eingespannt in geschnitzte Joche; die Tschumaken selbst waren lauter junge, ansehnliche Männer.
„Ach, die bösen Landstreicher!“ sagten die Mädchen, „wie erschreckten sie uns doch!“
„Hört nur –“ begann die Martha Tschemeriwna, ein flinkes, blauäugiges und witziges Mädchen – „begrüßen wir die Tschumaken!“ Und schon begann sie zu singen.
„Tschumak, Tschumak, du zweigiges Immergrün!“ Die übrigen Mädchen stimmten mit ein, während die Tschumaken sich immer mehr näherten, ohne uns aus den Augen zu lassen; dann aber kamen sie plötzlich auf uns zu! Wir stoben auseinander; die Tschumaken aber setzten uns nach, holten uns ein und umzüngelten
- ↑ „Tschumaken“ wurden die Leute aus der Ukraine genannt, welche mit ihren Ochsen nach der Krim oder an den Don fuhren, um sich von dort Fische und Salz zu holen. Anmerk. der Übersetzerin.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ „Tschumaken“ von russisch „чума“ (Pest), galten als verantwortlich für die Verbreitung von Viehseuchen.
: Ruthenische Revue, Jahrgang 2.1904. Verlag der Ruthenischen Revue, Wien 1904, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:RuthenischeRevue1904SelectedPages.pdf/106&oldid=- (Version vom 10.9.2022)