„Werde ich denn imstande sein, dort zu leben wie früher?“
„Es ist doch alles tot, was schlecht für dich war, und ein neues schöpferisches Leben erwartet dich mit offenen Armen. Dein Platz ist noch frei. Du wirst wieder an der Spitze stehen und wirst die Menschen führen auf deiner großen Heldenbahn! Und nur manchmal wirst du zu deiner Tochter kommen und zu deiner schwesterlichen Geliebten! Ich verlange nichts mehr für mich, nichts!“ fügte sie leiser und ein wenig traurig hinzu.
„Die Versuchung des heiligen Antonius, eine wundersame Versuchung. Traumbilder, nach denen ich so manchmal meine Arme ausgestreckt habe … Aber werde ich denn imstande sein, mich loszureißen von hier! Ich bin so verwachsen mit diesem Lande und so vieles verbindet mich mit ihm …“
„Vor allen Dingen die Braut!“ Es hatte sie schon so lange gewürgt, daß sie nicht mehr an sich halten konnte.
„Nicht allein. Ich habe wichtigere Gründe!“ Er schaute sich unruhig um, als fürchte er das Erscheinen Daisys. „Es gibt manchmal Hindernisse, die jenseits unseres individuellen Willens liegen …“
„Ich werde dich von hier entführen. Ich werde mit dir um dich ringen. Ich werde alles überwinden, du wirst dich überzeugen, das Unmögliche werde ich möglich machen, niemand und nichts wird mich davon abhalten!“ sagte sie voll Kraft. „Wenn nur weder dein Herz noch die Ehre dich bindet!“ fügte sie leiser, trauriger und furchtsamer hinzu.
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/239&oldid=- (Version vom 1.8.2018)