geheuchelten Liebe. Aus süßen Kantilenen sickerte das Gift des Sinnenreizes und weckte eine wahnsinnige Sehnsucht nach Küssen und die Schauer eines leidenschaftlichen Verlangens. Das Verlangen sang das schamlose und nie gestillte Lied der Wollust.
Und in einem Augenblick, als die Liebenden auf der Bühne sich in die Arme fielen, ließ Ada den Fächer fallen und flüsterte, als er ihn ihr reichte, kaum hörbar:
„Erinnerst du dich?“
In ihm war gerade die Erinnerung an diesen einzigen und nie erfaßten Augenblick erwacht, darum erzitterte er bei ihren Worten und schaute sie erstaunt an. Sie saß ruhig und kalt, als wäre sie aus Marmor.
Wie erinnerte er sich jetzt an jenen Abend des Grauens und der Leidenschaft!
Es war bei ihnen auf dem Gute.
Der Frühlingssturm brauste über die Erde dahin, zuweilen goß es in Strömen, der Wind heulte um die Mauern, der Park stöhnte, der Donner rollte und Blitze zuckten. Die ganze Gesellschaft spielte Karten im Nebenzimmer, und er spielte in dem großen, dämmrigen Saal auf dem Harmonium Bach; er spielte wie immer für sie und sang wie immer von seiner hoffnungslosen Liebe.
Sie kam, von den Klängen angelockt, und glitt durch den Saal dahin wie ein weißer, stiller Blitzstrahl. Die Nacht wurde immer furchtbarer, der Donner rollte drohend, als stürze die ganze Welt zusammen. Sie starrte in das Gewitter und in die blendenden Blitze,
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/221&oldid=- (Version vom 1.8.2018)