„Er wird zusammenstürzen, wenn du ihn nicht mehr stützest.“
„Möge alles zusammenstürzen, was nicht von selbst steht, was nicht von der Macht des eigenen Inhalts gestützt wird. Ihr wart mit eine Etappe auf dem mühseligen Weg zur Wahrheit, ich hin Euch dankbar dafür, aber ich muß weiter gehen auf der Bahn meiner Bestimmung.“
„Ich fühle es, aus dir spricht Verachtung,“ flüsterte Smith traurig.
„Nein, ich habe nur genug von diesen tanzenden Tischen, diesem Klopfen, diesem Gestammel aus dem Grabe und diesem Herumtappen im Staube dummer Tatsachen! Euer Spiritismus ist nur ein vulgärer und wilder Fetischismus von zufälligen Kräften und halluzinären Erscheinungen, ist nur der Glaube von Blinden und Schwachen. Ihr habt eine Kirche gegründet, in der ein Medium regiert, das mehr oder minder betrügerisch ist; eine Kirche, die zu nichts führt, nichts erhellt und niemand erlöst!“
„Warst du denn nicht ihr Apostel?“ stöhnte Mr. Smith.
„Das ‚gestern‘ ist nur ein Schatten im Lichte des ‚heute‘, das vom ‚morgen‘ träumt …“
„Arbeiten wir denn nicht für das ‚morgen‘?“
„Nein, die Welt verfault in Schande und Verbrechen, und Ihr bettelt um Mitleid bei toten Schatten und verlangt nach Wundern, nur um Eure erhitzte Einbildungskraft zu befriedigen. Das von Millionen heiß ersehnte ‚morgen‘ wird nicht daraus erstehen, denn das alles ist nur erniedrigende Furcht vor dem Unbekannten.
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/174&oldid=- (Version vom 1.8.2018)