Saal, der ganz in Einzellogen eingeteilt war, und ließ sich etwas zu essen geben.
Bald hatten sich in die benachbarte Loge Mädchen gesetzt und schauten über die Scheidewand oft zu ihm hinein, doch er bemerkte es nicht, denn er aß schnell und trank gierig und viel.
Er trank fast nie, empfand also jetzt ein merkwürdig schmerzhaftes und doch aufregendes Wohlbehagen, wie er so Glas um Glas leerte. Der Schnaps beruhigte ihn, die Ermüdung wich, seine Gedanken wurden langsam klarer, und es durchdrang ihn eine wohltuende Wärme.
Er wurde schnell betrunken, wie er sich so immerzu einschenkte, es umfing ihn eine stille Wehmut und eine angenehme, wollüstige Schwerfälligkeit, und er lächelte sich selbst zu, mit einem dummen, trunkenen Lächeln. In der Schenke wurde dann und wann ein Gröhlen laut, man hörte die heiseren Schreie der Mädchen, der Rauch von Zigarren und Pfeifen verhüllte das Licht mit einer beißenden Wolke, und ein ekelhafter Geruch von Tabak erfüllte den ganzen Saal; aber Zenon fühlte nichts mehr davon, er hörte nichts, es umfing ihn eine so trunkene Rührseligkeit, daß er weinen wollte über sich selbst; er empfand plötzlich die entsetzliche Last der Einsamkeit und des Verlassenseins, die ungeheure Entfernung von irgendeinem Leben, dessen er sich jetzt nicht mehr erinnern konnte; dabei war er schon so betrunken, daß er sich nicht mehr rühren konnte, er legte seinen Kopf auf den Tisch und gab sich Mühe, sich an etwas zu erinnern, er verfiel in einen fieberartigen Schlaf,
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/125&oldid=- (Version vom 1.8.2018)