hatte, kam ihm plötzlich ein brutaler Gedanke, der ihn wie ein Peitschenhieb ernüchterte, – der Gedanke, daß vielleicht nur ihr befehlender Blick das sage, wonach er im Geheimen verlangte; vielleicht sollte dieses weder heute, noch irgend jemals geschehen, und er wartete wie ein Dummkopf, bebend vor Neugier und Angst.
Sie kam nämlich sehr oft in den Reading Room, um zu spielen, und spielte einige Stunden ununterbrochen, – also tat sie wohl auch heute dasselbe, ohne auf ihn zu achten, vielleicht sogar ärgerlich darüber, daß er sie durch seine Anwesenheit störte.
Er empfand den bitteren Geschmack der Enttäuschung und eine tiefe Unzufriedenheit mit sich selbst, – darum schlich er möglichst leise, mit einer gewissen Scham, aus dem Zimmer.
Er wohnte auf demselben Flur des ersten Stockwerks. Und er öffnete gerade die Tür, als das gedämpfte und lang hingezogene Brüllen des Panthers erscholl und nach einer Weile Miß Daisy an ihm vorüberging, doch als bemerke sie ihn gar nicht, trotzdem er im vollen Lichte stand, das Gesicht ihr zugewendet.
Dieser ihn völlig übersehende Blick berührte ihn so unangenehm und verursachte ihm so heftigen Schmerz, daß er in die Wohnung trat und die Tür voller Wut zuschlug; er machte sofort Licht, denn er konnte die Dunkelheit im Zimmer nicht vertragen, und begann mit zitternden Händen den Umschlag eines Briefes aufzureißen, der schon seit dem Frühstück auf dem Schreibtisch gelegen hatte.
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/101&oldid=- (Version vom 1.8.2018)