Endlich hatten sie die Station erreicht und stiegen in den ersten Zug, der in ihre Gegend fuhr. Im Kupee war es leer und beinahe dunkel, denn Yoe hatte das Licht gedämpft; sie saßen einander gegenüber, in tiefem Schweigen, und starrten durch die Scheiben.
Der Zug raste wie der Blitz dahin, mit lautem Rollen; und blitzartig huschten Gärten vorbei, so daß wie in einer Vision blätterlose Bäume verschwommen auftauchten und wieder schwanden. Der Zug blieb an dunkeln, schlafenden Stationen stehen, warf die Menschen an öden Plätzen hinaus und eilte wieder davon, bis er endlich anfing, langsamer zu fahren, da er die riesigen Viadukte erklomm, die hoch über die Häuser gespannt waren, – so hoch, daß man in der dunkeln Masse von Häusern nur schwach die Straßenlinien leuchten sah.
„Sage mir, wer ist Miß Daisy?“ fragte endlich Zenon nach langem, zögerndem Schweigen, schaute Yoe dabei jedoch nicht an.
„Ich weiß nicht, oder vielmehr: ich weiß soviel wie alle anderen; daß sie von Kalkutta gekommen ist, – dies ist beinahe alles, was ich von ihr weiß.“
„Ein merkwürdiges Weib, ich kann mir nicht klar werden über den Eindruck, den sie auf mich macht; und das macht mich oft unruhig.“
„O ja, sie verbreitet eine magische Düsterheit und Scheu, – ein merkwürdiges Weib,“ flüsterte Yoe bang.
„Ich dachte, du kenntest sie näher, – sie nahm doch an der Seance teil?“
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/093&oldid=- (Version vom 1.8.2018)