Der Nebel durchrieselte sie mit einem kalten Schauer und warf seine traurigen Schatten auf ihre Seelen; die Zaubergärten ihrer seligen Verzückung zerflossen plötzlich in diesem grauen, peinigenden Dunkel, ihre Augen wurden matter, und beider bemächtigte sich eine stille sehnsüchtige Traurigkeit.
Sie waren schon weit, weit voneinander, ihre Seelen stoben auseinander wie gescheuchte Vögel und flossen einsam in fremde, traumhafte Fernen, sie flogen auf Flügeln einer plötzlichen unerklärlichen Furcht, auf Flügeln der Sehnsucht.
„Wenn man doch einen Wagen bekommen könnte!“ flüsterte sie schüchtern.
„Am Waterlooplatz wird es welche geben; dort ist eine Haltestelle!“
„Aber Sie kommen doch am Abend zum Essen, nicht wahr?“ fragte sie zärtlich.
Er konnte nicht mehr antworten, denn er wich plötzlich mit einem Ruck zurück, – gerade vor ihnen tauchte, wie aus der Erde hervor, Miß Daisy mit einem hochgewachsenen Mann auf, so schnell, daß sie vorüber war, ehe er noch hatte grüßen können.
Er schaute sich ängstlich um, doch sah er nur noch ganz undeutliche Umrisse von ihr und hörte nur den dumpfen Widerhall ihrer Schritte.
„Sie kennen sie?“ fragte sie mit leiser, etwas bebender Stimme.
Er antwortete nicht gleich, er starrte auf eine eben angezündete Laterne, in den zuckenden Ring des rötlichen Lichts, das, wie von einem grünlichen Reif, von einem dichten beweglichen Kranze von Nebel umrahmt
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/041&oldid=- (Version vom 1.8.2018)