plötzlich stehen, wie vom Blitz getroffen, denn sie hatte ihm ihr blindes Gesicht zugewendet und versuchte etwas zu sagen, ihre Lippen bewegten sich.
„Nein, nein, Daisy … Dieselbe und doch fremd, eine andere zugleich.“ Er neigte sich verwundert vor und umfing mit lauerndem, ängstlichem Blick ihr Gesicht und ihre ganze Gestalt … „Dasselbe Gesicht, und doch die Züge anders, fremd … Fremd … Daisy! Nein … Nein …“ schrie es in ihm; das Erstaunen und die Erinnerung verflochten sich in seinem Hirn mit dem Blitzen des Wahnsinns, der Angst und eines grauenhaften Entsetzens.
Er verstand nichts, er konnte diesen wunderlichen Wechsel nicht verstehen, es schien ihm, daß er tief träume, daß ein Spiegelbild Daisys vor ihm stehe und bald zerfließen würde, verschwinden wie eine Erscheinung, sofort … Er schloß die Augen und öffnete sie gleich wieder, aber Daisy stand an der alten Stelle, sie war da, er sah sie in den kleinsten Einzelheiten: da wich er plötzlich zurück, denn sie schaute ihn mit einem traurigen, abgrundtiefen, fremden Blick an, der so schrecklich war, daß er tief, auf den tiefsten Grund der Angst, hinabstürzte.
Alle standen in der gleichen eisigen Erstattung da.
Mr. Yoe aber näherte sich Daisy ängstlich und berührte mit den Fingern ihre Augenlider, – sie zuckten heftig und sanken dann schlaff herab. Dann berührte er der Reihe nach ihre Schläfen, ihre Hände, ihre Arme, machte einige Striche über ihrem Kopfe, trat zurück und sagte befehlend: „Komm!“
Sie rührte sich nicht von der Stelle.
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/010&oldid=- (Version vom 1.8.2018)