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Seite:Relativitaetsprinzip (Lorentz).djvu/25

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Sollten die Beobachter den Zeitbegriff als etwas Primäres, etwas ganz vom Raumbegriff Getrenntes betrachten wollen, so würden sie wohl erkennen, daß eine absolute Gleichzeitigkeit existiert; sie würden es aber wieder unentschieden lassen müssen, ob die Gleichzeitigkeit durch gleiche Werte von t angezeigt wird, oder durch gleiche Werte von t’, oder vielleicht weder durch die einen noch durch die anderen.

Einstein sagt kurz und gut, daß alle soeben genannten Fragen keinen Sinn haben. Er kommt denn auch zu einem „Abschaffen“ des Äthers. Letzteres ist übrigens bis zu einem gewissen Grade ein Streit über Worte: es macht keinen großen Unterschied, ob man vom Vakuum oder vom Äther spricht. Jedenfalls hat es nach Einstein keinen Sinn, von Bewegung relativ zum Äther zu sprechen. Ebenso verneint er die Existenz einer absoluten Gleichzeitigkeit.

Es ist gewiß merkwürdig, daß diese Relativitätsbegriffe, auch was die Zeit betrifft, so schnell Eingang gefunden haben.

Die Bewertung dieser Begriffe gehört größtenteils zur Erkenntnislehre, und man kann denn auch das Urteil ihr überlassen, im Vertrauen, daß sie die besprochenen Fragen mit der benötigten Gründlichkeit betrachten wird. Sicher ist es aber, daß es für einen großen Teil von der Denkweise abhängen wird, an die man gewöhnt ist, ob man sich am meisten zur einen oder zur andern Auffassung angezogen fühlt. Was den Vortragenden selbst betrifft, so findet er wohl eine gewisse Befriedigung in den älteren Auffassungen, daß der Äther wenigstens noch einige Substanzialität besitzt, daß Raum und Zeit scharf getrennt werden können, daß man von Gleichzeitigkeit ohne nähere Spezialisierung reden darf. Was das zuletzt Genannte betrifft, so kann man sich vielleicht berufen auf unser Vermögen, uns beliebig große Geschwindigkeiten wenigstens vorzustellen. Damit kommt man dem Begriff der absoluten Gleichzeitigkeit sehr nahe.

Schließlich muß bemerkt werden, daß in der kühnen Behauptung, daß man nie Geschwindigkeiten größer als die Lichtgeschwindigkeit beobachten wird, eine hypothetische Beschränkung des für uns Zugänglichen liegt, die nicht ohne einigen Rückhalt akzeptiert werden kann.

Das nächste Mal werden wir die Betrachtungen Einsteins über den Zusammenhang zwischen Energie und Masse, seine Versuche für beschleunigte Systeme etwas Ähnliches zu tun, wie nach dem Gesagten für Systeme mit gleichmäßiger Bewegung gemacht worden ist, und die Anwendung davon auf die Gravitation besprechen.

Als Vorbereitung zur Behandlung des Zusammenhanges zwischen Energie und Masse werden wir heute noch kurz drei Punkte behandeln.

Empfohlene Zitierweise:
Hendrik Antoon Lorentz: Das Relativitätsprinzip. B.G. Teubner, Leipzig und Berlin 1914, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Relativitaetsprinzip_(Lorentz).djvu/25&oldid=- (Version vom 1.8.2018)