Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung | |
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Xenophons Charakter, als Philosoph, ist der eines praktischen Denkers der zugleich Staatsmann ist. Er nimmt den Menschen, so wie er ihn im Durchschnitte findet, und bezieht ihn zugleich auf seine Lage gegen die Republik.
Er entwirft keine Ideale für den einzelnen Menschen, der mit ungewöhnlichen Kräften ausgerüstet ist. Er sucht die ganze Gattung, die ganze Gesellschaft von Mitgliedern eines Staats zu heben, indem er auf solche Kräfte und Lagen Rücksicht nimmt, die man ungefähr bey allen voraussetzen kann. Seine gesunde Vernunft erwartet von der gesunden Vernunft anderer, daß sie so glücklich und so brauchbar werden seyn wollen, als sie es durch den Gebrauch jenes Allgemeinsinnes, wenn ich so sagen darf, werden können. In seinen Oekonomicis will er überhaupt lehren, wie eine Wirthschaft eingerichtet seyn müsse, um als ein wohlgeordnetes Haus, gut zum Staat, als Theil zum Ganzen zu passen. In eine gute Wirthschaft gehört eine gute Hausfrau: und dieß führt ihn darauf, uns das Verhältniß des wirthschaftlichen Hausvaters gegen die wirthschaftliche Hausmutter aus einander zu setzen.
Ischomachus wird als das Ideal eines braven Bürgers in seinen häuslichen Verhältnissen dargestellt. Als Republikaner darf er sich durch diese von den öffentlichen Geschäften nicht abhalten lassen. Ischomachus ist daher nur selten zu Hause. Seine Frau führt die Wirthschaft: und wie sie dazu geschickt geworden sey, das sucht uns Xenophon im Anfange der Schrift zu lehren.
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.1.djvu/106&oldid=- (Version vom 1.8.2018)