Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil | |
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O daß das Mädchen auch nicht die Talente ganz vernachlässigt habe, welche die angebornen Reitze des Körpers bey der Bewegung heben, und sie mit Beywerk schmücken! Tanz, Mimik, Putz, können einen hohen Sinn für Schönheit, und weil diese sich nicht ohne Wahrheit und Zweckmäßigkeit denken läßt, auch Sinn für diese zeigen. Schwerlich wird in späteren Jahren der Geschmack in diesen Talenten, die dem Körper näher angehören, ausgebildet werden mögen! Früh muß der Geist an Absonderung des Wahren von dem Falschen, und der Körper an Fertigkeit gewöhnt seyn.
Doch auch hier bleibt keine Wahl zwischen Ziererey und Mangel an aller Bildung! Hundertmahl lieber diesen als jene!
Bey aller Fähigkeit, die der Mann zur edeln und schönen Liebe haben kann, bey aller Würdigkeit der Person, auf die seine Wahl gefallen ist, wird dennoch der Begriff von Vollkommenheit nie auf die zusammengesetzte Person zutreffen können, wenn Mangel an Gegenliebe oder äußere Hindernisse die Vereinigung hindern.
Ich werde im folgenden Buche die Mittel angeben, Gegenliebe zu erwecken. Aber es giebt Fälle, worin sie nicht wirksam seyn können, und vielleicht von dem edeln Manne nicht einmahl angewandt werden dürfen. Alsdann bleibt die Liebe allemahl einseitig, mithin die zusammengesetzte Person unvollständig. Die Liebe, so wie ich sie betrachte, ist eine Art von Drama, das seine Exposition
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_2.djvu/194&oldid=- (Version vom 1.8.2018)