Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil | |
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Es läßt sich die zusammengesetzte Person der beyden Liebenden nicht als Vollkommenheit und Schönheit denken, ohne schöne körperliche Formen in dem Weibe.
Aber da die ernste Schönheit hauptsächlich den männlichen Körper zieren muß, so ist die reitzende hauptsächlich dem weiblichen zu wünschen, damit die zusammengesetzte Person desto auffallender das Wohlverhältniß gepaarter Geschlechtsverschiedenheiten, selbst bey der Zusammenstellung ihrer Körper im Ganzen, zeige. Wer weiß, ob eine Juno mit einem Apollo zusammengruppiert, anders als Freunde erscheinen würden; ihre Schönheiten ähneln sich zu sehr! Apollo und Venus! Wie viel auffallender hier das Bild der Liebe!
Formen, die etwas üppiges mit sich führen, ohne der Zierlichkeit Abbruch zu thun; Augen, aus denen Liebe, unter Führung der Sittlichkeit hervorbricht; Mienen, die Heiterkeit der Seele, Selbstwürde und Sympathie verkündigen; Stellungen, die keine Ueberlegung, aber doch angewöhnte Aufmerksamkeit auf sich selbst und andere regiert; Bewegungen der Gliedmaßen, die Blumenranken ähneln, welche die geschickte Hand des Künstlers zieht und ordnet; – das sind die Gestalten, die uns an dem zarten Körper des Weibes vorzüglich rühren, die sind es, die wir uns am liebsten an der Seite des Mannes von ernster Schönheit denken.
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_2.djvu/193&oldid=- (Version vom 1.8.2018)