Prozessionen anstellte. Bei Bingen wurde ihm die Rochuskapelle im Jahre 1666 zum Andenken an das Aufhören einer furchtbar wütenden Pest erbaut; sie wurde ein Wallfahrtsort. Aber zu großer Betrübnis der Gegend war dieses Gotteshaus während der Freiheitskriege verwüstet worden, wenn auch nicht aus Willkür und Mutwillen, so doch, weil hier ein Posten die ganze Gegend überschauen und einen Teil derselben beherrschen konnte. So war das Gebäude denn aller gottesdienstlichen Erfordernisse, ja, aller Zierden beraubt, durch Bivuaks angeschmaucht und verunreinigt, ja, durch Pferdestallung geschändet worden.
Deswegen aber war der Glaube an den Heiligen nicht gesunken, welcher auf Gelübde hört und Pest und ansteckende Krankheiten abwendet. Freilich war an Wallfahrten hierher nicht zu denken gewesen, denn vorsichtig und argwöhnisch verbot der Feind alle frommen Auf- und Umzüge als gefährliche Zusammenkünfte. Beförderten sie doch Gemeinsinn und begünstigten Verschwörungen. Von 1789 bis 1813 konnte daher kein Fest bei der St. Rochuskapelle gefeiert werden. Doch wurden benachbarte Gläubige, welche von dem Vorteile örtlicher Wallfahrt sich überzeugt fühlten, durch große Not gedrängt, das Äußerste zu versuchen. Hiervon erzählen die Rüdesheimer folgendes merkwürdige Beispiel. In tiefer Winternacht erblickten sie einen Fackelzug, der sich ganz unerwartet von Bingen aus den Hügel hinauf bewegte, endlich um die Kapelle versammelte und dort, wie man vermuten mußte, seine Andacht verrichtete. Inwiefern die damaligen französischen Behörden dem Drange dieser Gelobenden nachgesehen, da man sich ohne Vergünstigung dergleichen wohl kaum unterfangen hätte, ist niemals bekannt geworden, sondern das Geschehene blieb in tiefster Stille begraben. Alle Rüdesheimer jedoch, die ans Ufer laufend von diesem Schauspiele Zeugen waren, versicherten, seltsamer und schauderhafter in ihrem Leben nichts gesehen zu haben. Am 16. August 1814 sah man an einer Seite der Kapelle des heiligen Rochus noch Rüststangen. Doch wurde die Kapelle des heiligen Rochus gerade damals vom Kriegsverderben wieder hergestellt. Mit allem für die Andacht der Wallfahrer Nötigen ward die Kirche versehen. Ein italienischer Gipsgießer schwenkte schon einen Tag vor dem Feste und in etwas weiterer Entfernung sein wohlbeladenes Brett gar kühnlich im Gleichgewichte. Die darauf schwebenden Figuren waren
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/90&oldid=- (Version vom 1.8.2018)