Prälaten hätten wegen Simonie, das heißt wegen Bestechlichkeit und Stellenverkauf, wegen Geiz, Stolz, Prachtliebe, Verachtung der Armen, Vernachlässigung des Amtes und Fleischeslust[1] jämmerlich leiden müssen. Die meisten Landleute seien bestraft worden wegen Betruges unter sich und weil sie selten in der Ohrenbeichte ihre Sünden ganz rein und wahrhaft zu bekennen pflegten.
Mitten in der Erde hatte Adalbert der Landmann einen fürchterlichen und ganz mit Seelen angefüllten Schacht gesehen, aus welchem die Flammen bis zum Himmel aufschlugen. Teufel wirbelten dazwischen herum. Jammer und Wehgeschrei und gräßliches Fluchen scholl aus der Tiefe empor. Der Engel sagte zu Adalbert dem Landmanne: Wer da drinnen sitzt, kommt niemals wieder heraus.
Der Engel zeigte dem Landmanne auch das Fegefeuer. Darauf sah dieser in ein tiefes, tiefes Thal, in demselben strömte ein großer stinkender Fluß und über diesen ging eine dünne schlüpfrige Brücke von einem Berge zum anderen, höher als wenn man den Kirchthurm zu Kreuznach viermal aufeinander setzt. Diese Brücke war nur zwei Fuß breit und ging steil aufwärts bis zur Mitte, dann aber ebenso wieder abwärts. Es waren aber der Seelen, so über diese Brücke wollten, gar viele. Einige fielen im Anfange, andere in der Mitte, noch andere am Ende hinab in den Fluß, den abscheulichen Drachen und ungeheuren Schlangen, welche nach den Herabfallenden die Köpfe aus dem Wasser steckten, geradeswegs in den Rachen. Andere fielen neben den Untieren nieder bis an den Kopf oder den Hals oder auch nur bis ans Knie nach Verdienst ihrer Sünden. Mancher arbeitete sich auch mit der größten Schnelligkeit durch den Fluß hindurch.
Diese, wenn sie das Ufer erreichten, waren viel schöner anzusehen als vorher. Sie wurden da von den Engeln mit Jubel empfangen und in den Palast des Himmelreiches eingeführt.
Aber manche, die mit Golde beladen einhergingen, fielen gleich zu Anfang, und da ihnen die Umkehr unmöglich war, so mußten sie gewaltig arbeiten, um noch an’s Ufer zu gelangen. So wälzten sich denn viele manches Jahr hindurch, wie der Landmann wenigstens glaubte, in dem stinkenden Unflate umher, bis sie endlich doch noch auf’s höchste entkräftet an’s Ufer gelangten.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Fleicheslust
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/81&oldid=- (Version vom 1.8.2018)