Jeder brauchte nur zu sagen, was er trinken wollte. Dann setzte Doktor Faustus das Trinkgefäß vor’s Fenster und sogleich war es voll desselben Getränkes, so frisch, als wenn’s eben aus dem Keller käme. –
Doktor Faustus spazierte einmal zu Köln mit einem seiner guten Bekannten, und wie sie mit einander von Mancherlei schwatzen, begegnet ihnen ein Pfaff, der eilte der Kirche zu und hatte sein Brevier, so fein mit silbernen Buckeln beschlagen war, in der Hand. Fausto gefiel das Büchlein wohl, dachte, du kannst bei einem anderen ein Gratias damit verdienen und sagte zu seinem Gesellen: „Schau, schau den Pfaffen, wie ein geistliches Gebetbuch hat er in der Hand, da Schellen die Responsorien geben.“ Dies erhört der Pfaff, sieht auf sein Buch und wird gewahr, daß es ein Kartenspiel ist. Nun hatte der Pfaffe eben gerade diesmal zu Hause gespielt und meinte, er habe in der Eil’ die Karten für das Brevier unversehens ergriffen, wirft’s deswegen aus Zorn von sich weg und geht brummend seines Weges. Faustus und sein Geselle lachten des Pfaffen, huben das Buch auf und ließen den Pfaffen gehen und ein ander Brevier kaufen. –
Einstmals kam Doktor Faustus in der Fasten gen Frankfurt auf die Messe. Da berichtete ihm sein Geist Mephistopheles, wie in einem Wirtshause vier Zauberer wären, die einander die Köpfe abhieben und zum Barbier schickten sie zu barbieren, um sie dann wieder aufzusetzen.
Faust ging also dahin solches auch anzusehen und fand die Zauberer schon zusammen, um die Köpfe abzuhauen und den Barbier bei ihnen, der sie putzen und waschen sollte.
Auf dem Tisch aber hatten sie ein Glasgefäß mit destilliertem Wasser.
Der vornehmste Zauberer unter ihnen aber zauberte dem ersten eine Lilie ins Glas, die grünte und blühte und er nannte sie Wurzel des Lebens.
Darauf schnitt er dem Ersten den Kopf ab, ließ ihn barbieren und setzte ihn hernach wieder auf. Da verschwand die Lilie und der Mann hatte seinen Kopf wieder.
So geschah es auch mit dem Zweiten und Dritten.
Da kam die Reihe an den vornehmsten der Zauberer. Seine Lilie blühte und grünte auch im Wasser, als man seinen Kopf barbierte und wusch in Fausti Gegenwart.
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/67&oldid=- (Version vom 1.8.2018)