In christlicher Zeit, da bereits die Enden der Erde sich zu Gott bekehret hatten, lebte in Britannia ein König, der hieß Deonotus; der erfüllte getreulich jeden Brauch des katholischen Glaubens und regierete seine Unterthanen also, daß er alle Zeit gedachte, wie er selber wieder Gott unterthan sein müsse.
Deonotus hatte eine Gemahlin, die war ihm gleich an Adel und Glanz der Tugenden. Diese beiden Eheleute warteten mit Sehnsucht eines Sohnes, doch schenkte ihnen Gott eine Tochter.
Diese Tochter sollte einst wie David einen Bären, ursum, erschlagen, nämlich den Teufel: darum hat Gott es gefügt, daß sie schon bei der Taufe Ursula genannt wurde.
Ursula ward in königlichen Ehren erzogen, doch däuchte ihr die Welt nur geringe, und sie sann dem Gesetze des Herren nach Tag und Nacht. Darum schien es schon damals, als würde der himmlische Vater diesen Edelstein schleifen zu einem herrlichen Schmucke der Kirche, und als hätte er ihr schon damals verkündiget: „Höre, Tochter, und neige Dein Ohr zu mir, denn ich habe Deine Schöne lieb gewonnen.“
Es war aber nicht bloß ihre Seele schön, sondern auch ihr Leib gar
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/211&oldid=- (Version vom 1.8.2018)