Der letzte Glanzpunkt der von so vielen Fremden aus weiter Ferne besuchten Rheinlandschaft ist die dunkle Felsenmasse des himmelanstrebenden Siebengebirges bei Bonn. Von diesem ragt der Drachenfels wie ein gigantischer Wächter fast senkrecht aus den Fluten des Rheines empor. Zunächst den Eingang des freundlichen Honnefer Thales beschirmend, erregt er zuerst die Aufmerksamkeit in höherem Grade, wenn man von Köln aus rheinaufwärts fährt.
Wenn schon jedes altertümliche verfallene Türmchen die Gedanken des Beschauers unwillkürlich ins Mittelalter, in die Zeiten des Lehnsrechtes und der offenen Fehden zurückversetzt: so ist dies noch mehr der Fall bei den Ruinen wirklicher alter Burgen, wie die des Drachenfels. Sind solche Ruinen doch die Beweise beharrlicher Anhänglichkeit an jene sonderbaren, aber immerhin kräftigen Einrichtungen, die endlich freilich doch einer neuern Gesittung haben weichen müssen, an kraftvolle Geschlechter, die ihre kühnen Thaten vollbracht haben, ohne ängstlich das Recht zu prüfen, und deshalb zum Teil doch früher den Schauplatz der Geschichte haben verlassen müssen, als es bei dem ganz gewöhnlichen Verlaufe der Dinge würde der Fall gewesen sein. Dies gilt jedoch vom Drachenfels nicht vollständig, da es vor fünfzig Jahren und vielleicht noch jetzt in der Ferne ein Geschlecht gab, das vom Drachenfels am Rheine den Namen herleitet.
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/199&oldid=- (Version vom 1.8.2018)