räumlicher Gestalten z. B. ist zuletzt an diese Tätigkeit ihrer inneren Produktion und an die Gesetzmäßigkeit dieser Produktion gebunden. So zeigt sich durchweg, wie gerade die höchste und reinste geistige Aktivität, die das Bewußtsein kennt, durch bestimmte Weisen der sinnlichen Aktivität bedingt und vermittelt ist. Auch hier haben wir das eigentliche und wesentliche Leben der reinen Idee immer nur am farbigen Abglanz der Erscheinungen. Das System der mannigfachen Äußerungen des Geistes ist für uns nicht anders erfaßbar, als dadurch, daß wir die verschiedenen Richtungen seiner ursprünglichen Bildkraft verfolgen. In dieser erblicken wir im Reflex die Wesenheit des Geistes – denn diese kann sich für uns nur dadurch darstellen, daß sie sich in der Gestaltung des sinnlichen Materials betätigt.
Und daß es in der Tat eine reine Aktivität des Geistes ist, die sich in der Schaffung der verschiedenen Systeme sinnlicher Symbole bekundet, das drückt sich auch darin aus, daß alle diese Symbole von Anfang an mit einem bestimmten Objektivitäts- und Wertanspruch auftreten. Sie alle greifen über den Kreis der bloß individuellen Bewußtseinserscheinungen hinaus; – sie beanspruchen ihnen gegenüber ein Allgemeingültiges hinzustellen. Dieser Anspruch mag sich vor einer späteren kritisch-philosophischen Betrachtung und vor ihrem entwickelten und durchgebildeten Wahrheitsbegriff möglicherweise als hinfällig erweisen; – aber daß er überhaupt erhoben wird, gehört zum Wesen und Charakter der einzelnen Grundformen selbst. Sie selbst sehen ihre Gebilde nicht nur überhaupt als objektiv-gültig, sondern zumeist geradezu als den eigentlichen Kern des Objektiven, des „Wirklichen“ an. So ist es für die ersten gleichsam naiven und unreflektierten Äußerungen des sprachlichen Denkens, wie für das Denken des Mythos bezeichnend, daß sich für sie der Inhalt der „Sache“ und der des „Zeichens“ nicht deutlich scheidet, sondern daß beides in völliger Indifferenz in einander überzugehen pflegt. Der Name einer Sache und diese selbst sind untrennbar mit einander verschmolzen; – das bloße Wort oder Bild birgt in sich eine magische Kraft, durch die sich uns das Wesen des Dinges zu eigen gibt. Und man braucht diese Anschauung nur vom Reellen ins Ideelle, vom Dinglichen ins Funktionale zu wenden, um in ihr in der Tat einen berechtigten Kern zu entdecken. Denn wirklich bildet in der immanenten Entwicklung des Geistes der Gewinn des Zeichens stets einen ersten und notwendigen Schritt für die Gewinnung der objektiven Wesenserkenntnis. Das Zeichen bildet gleichsam für das Bewußtsein das erste Stadium und den ersten Beleg der Objektivität, weil durch dasselbe zuerst dem stetigen
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/37&oldid=- (Version vom 15.9.2022)