Zum Inhalt springen

Seite:PhilonVirtGermanCohn.djvu/023

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn

als Gott und denen, die sie aufrichtig, rein und wahrhaft lieben. 63 Ich bin durch mein eigenes Beispiel darüber belehrt, dass ich auch nicht einen andern der für das Herrscheramt geeignet Scheinenden dazu bestimme. Denn ich selbst habe die Verwaltung und Leitung des Gemeinwesens weder aus freien Stücken übernommen noch auch weil ich von irgend einem andern Menschen dazu gewählt wurde, sondern selbst dann noch, als Gott durch deutliche Offenbarungen und klare Aussprüche mir laut den göttlichen Auftrag zur Führung (des Volkes) erteilte, weigerte ich mich und bat und flehte im Hinblick auf die Grösse der Aufgabe, bis ich endlich dem wiederholten Befehl aus Furcht gehorchte. 64 Wäre es nun nicht sonderbar, jetzt nicht derselben Spur zu folgen und, nachdem ich selbst zur Zeit, da ich Führer werden sollte, mich nur der Entscheidung Gottes gefügt, nicht ihm allein wieder die Wahl [386 M.] des Nachfolgers anheimzustellen, ohne dass menschlicher Verstand mitwirkt, dem das Wahrscheinliche näher steht als die Wahrheit, zumal es sich um die Leitung nicht irgend eines beliebigen Volkes handelt, sondern des zahlreichsten von allen auf Erden, das sich zur wichtigsten Aufgabe bekennt, zur demütigen Verehrung des wirklich Seienden, der der Schöpfer und Vater des Alls ist? 65 Denn was aus der bewährtesten Philosophie denen erwächst, die ihr obliegen, das wird den Juden durch ihre Gesetze und Bräuche vermittelt, die Erkenntnis von dem höchsten und heiligsten Urgrund aller Dinge, da sie die Irrlehre von den geschaffenen Göttern verwerfen; denn kein Geschaffener ist ein Gott in Wahrheit, er ist es nur in der Meinung der Menschen, da ihm die wesentlichste Eigenschaft fehlt, die Ewigkeit“.

66 (3.) Dies ist der erste deutliche Beweis seiner menschenfreundlichen und treuen Gesinnung gegen seinen ganzen Stamm; ein anderer bleibt hinter dem erwähnten nicht zurück. Nachdem nämlich Jesus, der sein Schüler und Nachahmer seines liebenswürdigen Charakters war, durch göttliche Entscheidung zum Führer bestimmt war (4 Mos. 27,18 ff.), wurde Moses nicht, wie es ein anderer gewesen wäre, in Trauer versetzt darüber, dass nicht die Söhne oder Bruderssöhne gewählt wurden; 67 vielmehr war er von unsagbarer Freude erfüllt, dass das Volk

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 335. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonVirtGermanCohn.djvu/023&oldid=- (Version vom 31.10.2017)