Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler | |
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[659 M.] [1] 1 Bei der Beschreibung der dritten Art gottgesandter Träume möchten wir wahrlich Moses als Helfer bei unserem Werke herbeirufen[1], damit er uns über die Zeichen, wie er sie erfuhr, ohne ihre Bedeutung zu kennen, uns, die wir sie auch nicht kennen, belehre und jedes beleuchte. Die dritte Art aber entsteht, wenn in den Träumen die Seele aus sich heraus bewegt und sich selbst umwendend[2] korybantisch schwärmt und, in Enthusiasmus geratend, durch ihre vorausschauende Kraft die Zukunft kündet. 2 Die erste Art[3] nämlich bestand darin, daß Gott mit der Bewegung beginnt und unsichtbar das uns Unbekannte, ihm aber Bekannte dabei einflüstert; die zweite aber darin, daß unser Geist sich mit der Weltseele zusammenbewegt und von gottgetragenem Wahnsinn erfüllt wird, wodurch es ihm möglich wird, viele künftige Ereignisse vorauszusagen. 3 Daher hat der Hierophant die der ersten Art entsprechenden[4] Erscheinungen ganz deutlich und sehr klar kundgetan, weil Gottes Eingebungen in den Träumen klaren Orakelsprüchen gleichen, die zur zweiten gehörenden weder ganz klar noch allzu dunkel, wofür das auf der Himmelsleiter erschienene Gesicht ein Beispiel ist; denn dies war zwar rätselhaft, das Rätsel aber wurde für die, die scharf sehen können, nicht allzusehr in Dunkel gehüllt. 4 Die zur dritten Art gehörenden Erscheinungen jedoch sind unklarer als die vorausgehenden und bedurften, da hier das Rätsel ganz tief und dunkel ist, auch noch der Traumdeuterkunst. Daher werden alle zu dieser Art gehörenden und vom Gesetzgeber beschriebenen Träume von Männern gedeutet, die in der genannten
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/63&oldid=- (Version vom 7.10.2018)