Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler | |
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wenn aber einer einen solchen nennt, so tut er es in uneigentlicher Bedeutung; denn das Sein kann nicht genannt werden, sondern es ist nur.[1] [40] 231 Hierfür zeugt auch der Spruch, der dem geoffenbart wurde, der danach fragte, ob es einen Namen habe: „Ich bin der Seiende“ (2 Mos. 3, 14),[2] damit der Mensch das, was er allein von dem, was Gott betrifft, erfassen kann, erkenne, nämlich seine Existenz.[3] 232 Nun ist es wahrscheinlich, daß er den unkörperlichen und in seinem Dienste stehenden Seelen so erscheint, wie er ist, und sich mit ihnen bespricht wie ein Freund mit seinen Freundinnen, den noch im Körper weilenden aber in der Gestalt von Engeln erscheint, ohne dabei sein Wesen zu verändern – denn er ist ja unveränderlich –, sondern dadurch, daß er den (Seelen), die sich ein Bild von ihm machen, eine Vorstellung von anderer Gestalt eingibt, so daß sie wähnen, das Bild sei nicht eine Nachahmung, sondern jene urbildliche Gestalt selbst. 233 Nun heißt es in einer alten Sage,[4] daß Gott jedesmal in anderer Menschengestalt in den Städten ringsumher umgehe, prüfend, ob etwas Ungerechtes und Gesetzwidriges geschehe. Und wenn das auch nicht gerade wahr geredet ist, so doch sehr nützlich und zuträglich. 234 Die heilige Schrift aber, die in ernsterer und heiligerer Weise von den Vorstellungen über den Seienden Gebrauch macht und zugleich darauf ausgeht, auf den Lebenswandel der Toren [656 M.] einen erzieherischen Einfluß auszuüben, verglich ihn wohl mit einem Menschen, aber mit keinem Einzelwesen.[5] 235 Deshalb hat sie ihm ein Gesicht zugeschrieben, Hände, Füße, einen Mund und eine Stimme, Zorn und Erregung, dazu auch Abwehrwaffen,[6]
- ↑ Vgl. Cohns Einleitung zum 1. Band S. 15.
- ↑ Vgl. zu Philos Deutung dieses Wortes Über die Nachstellungen § 160. Über die Namensänderung § 11.
- ↑ Nach Wendlands Vorschlag.
- ↑ Homer, Od. XVII, 485ff.
- ↑ Das heißt wohl: es werden Gott zwar menschliche Eigenschaften zugeschrieben, aber nie gelehrt, daß er die Gestalt eines bestimmten Menschen (etwa eines Kaisers!) angenommen habe. Durch diese etwas gewundene Einschränkung sucht Philo dem Gegensatz des Judentums zu der § 233 erwähnten heidnischen Anschauung gerecht zu werden.
- ↑ Über die Waffen Gottes und diesen ganzen Gedankengang vgl. Über die Unveränderlichkeit Gottes §§ 60ff. Beachtenswert ist aber die genaue Übereinstimmung mit Seneca Natur. quaest. II 42, 3 ad coercendos imperitorum animos sapientissimi viri iudicaverunt inevitabilem metum, ut aliquid supra nos timeremus; …ad conterrendos itaque eos, quibus innocentia sine metu non placet, posuerunt supra caput vindicem et quidem armatum.
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/58&oldid=- (Version vom 7.10.2018)