Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler | |
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lernen, daß da ein paar Leute zu Auswanderern wurden, indem sie ihr väterliches Land verließen und in der Fremde wie in ihrem Vaterlande wohnten, sondern damit eine für das Leben nützliche und auf den Menschen überhaupt berechnete Lehre nicht unbeachtet bleibe. 53 Welche aber ist diese? Die Chaldäer treiben Astronomie, die Bürger Harans aber beschäftigen sich mit dem Orte der Sinne. Es sagt nun die heilige Schrift zu dem Beobachter der Naturerscheinungen: Was stellst du Untersuchungen über die Sonne an, ob sie nur einen Fuß groß,[1] ob sie größer als die ganze Erde, ob sie vielmal größer als sie ist? Was forschst du nach den Beleuchtungsarten des Mondes, ob er einen unechten[2] oder ob er nur echten Glanz hat? Was nach dem Wesen der anderen Sterne oder ihrer Bahn oder ihrer Sympathie miteinander und mit der Erdenwelt? 54 Was springst du als Erdbewohner über die Wolken? Wie kannst du behaupten, daß du, eingewurzelt ins feste Land, nach den ätherischen Wesen zu greifen vermöchtest? Wie kannst du es wagen, Schlüsse zu ziehen auf Dinge, die sich nicht erschließen lassen? Was machst du dich vorwitzig an die Himmelserscheinungen heran, an Dinge, die dich nichts angehen? Wie kommst du dazu, die in den mathematischen Wissenschaften geltende Methode bis auf den Himmel auszudehnen? Was schaust du die Sterne an und schwatzest über sie? [629 M.] Nicht das, was über dir und oben ist, mein Lieber, sondern das, was dir nahe ist, betrachte; erforsche lieber rückhaltlos dich selber. 55 Wie wirst du nun die Forschung anstellen? Gehe im Geiste nach Haran, der Grube, den Höhlungen und Löchern des Körpers, und untersuche Augen, Ohren, Nase und was sonst noch Sinnesorgane sind, und betreibe die nötigste und dem Menschen angemessenste Philosophie dadurch, daß du erforschst, was das Gesicht, das Gehör, der Geschmack, der Geruch und überhaupt die Sinneswahrnehmung ist. Und dann erforsche das Wesen und den Vorgang des Sehens, des Hörens, das Wesen des Riechens, des Schmeckens, des Fühlens und wie jedes von ihnen zustande kommt. 56 Bevor du dein eigenes Haus richtig erforscht hast, das des Weltalls zu erforschen, ist das nicht der Gipfel des Wahnsinns? Und die größere Aufgabe stelle ich dir noch gar nicht: deine Seele und deinen Geist zu sehen, auf den du dir so viel einbildest; denn du wirst ihn niemals erkennen können. 57 Nun steige nur hinauf zum Himmel und
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/22&oldid=- (Version vom 7.10.2018)