Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler | |
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und, wie einer sagte, dichte Harmonie, unauflösbare Ätherzusammenballungen? Sind sie beseelt und vernünftig oder ohne Geist und Seele? Haben sie Bewegungen nach freier Wahl oder nur nach Notwendigkeit? Wie ferner? 23 Führt der Mond echten oder falschen Schein, beleuchtet von den Sonnenstrahlen, oder für sich eigens keinen von beiden, [624 M.] sondern eine Mischung aus beiden, aus eigenem und fremdem Feuer? Alles dies nämlich und was sonst zum vierten und besten der Weltkörper, zum Himmel, gehört, ist unklar und unerkennbar, in Ahnungen und Vermutungen, nicht im festen Worte der Wahrheit verankert. 24 Daher kann man wohl zu schwören wagen, daß kein Sterblicher jemals hiervon etwas klar erkennen wird. Ein „Eid“ wurde deshalb der vierte und trockene Brunnen genannt, da die Erforschung des vierten der Weltkörper, des Himmels, unbeendbar und durchaus schwer durchführbar ist. [5] 25 Wir wollen nun ferner Betrachtungen darüber anstellen, in welcher Hinsicht auch der vierte der in uns selbst befindlichen Teile speziell und in besonderem Sinne unfaßbar ist. Sind nicht vier Teile von dem, was zu uns gehört, die wichtigsten: Körper, Sinneswahrnehmung, Sprache und Geist? Von diesen sind nun drei nicht in jeder Hinsicht unerkennbar, sondern haben gewisse in die Augen fallende Merkmale an sich, durch die sie erfaßt werden können. 26 Was meine ich damit? Wir wissen, daß der Körper nach drei Seiten ausgedehnt und nach sechs Richtungen bewegbar ist, daß er drei Dimensionen hat: Länge, Tiefe und Breite, aber doppelt soviel Bewegungen, nämlich sechs: nach oben, nach unten, nach rechts, nach links, nach vorn und nach hinten. Aber auch daß er das Gefäß der Seele ist, ist uns nicht unbekannt. Aber auch daß er heranwächst, abnimmt, altert, stirbt und aufgelöst wird, wissen wir genau. 27 Und was die Sinneswahrnehmung angeht, so sind wir auch ihr gegenüber nicht völlig stumpf und blind, sondern wir können sagen, daß sie fünffach geteilt ist und für jeden Sinn von der Natur ein besonderes Organ geschaffen wurde, für das Gesicht die Augen, für das Gehör die Ohren, für den Geruch die Nase und für die anderen das ihnen entsprechende, und daß die Sinne Boten des Geistes sind, die ihm
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/16&oldid=- (Version vom 7.10.2018)