Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt | |
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gegen die Vereinbarung auf das, wovon er zurückgetreten war, wieder Anspruch gemacht und hatte in seiner Wut den Bruder mit dem Tode bedroht, wenn er es ihm nicht wiedergäbe –, diese alte Feindseligkeit des Einzelnen gegen den Einzelnen erneuerte so viele Generationen später das Volk. 243 Der Führer der Hebräer nun, Moses, hätte sie zwar beim ersten Ansturm überrennen können, aber er hielt dies mit Rücksicht auf die erwähnte Verwandtschaft nicht für recht, sondern verlangte nur die Benutzung des Weges durch ihr Land und versprach, sich durchaus friedlich zu verhalten, keinen Ort zu verwüsten, nicht Herden, nicht Beute fortzuführen, für Wasser, wenn Not an Getränk eintreten sollte, den Preis zu zahlen und ebenso für die andern Lebensmittel, an denen sie Mangel haben würden. Aber jene widersetzten sich diesen friedlichen Vorschlägen mit Macht und drohten mit Krieg, wenn sie merken sollten, dass sie über die Grenzen gingen oder sie auch nur berührten. 244 (44.) Als nun die Hebräer über diese Antwort unwillig waren und schon sich zur Abwehr anschickten, trat Moses unter sie an eine Stelle, wo er von allen gehört werden konnte, und sprach; „Freunde, euer Unwille ist wohl begründet und berechtigt, denn während ihr ihnen in milder Sinnesweise Freundlichkeit entgegenbrachtet, haben sie euch in boshafter Gesinnung schlimme [p. 120 M.] Antwort gegeben. 245 Aber weil jene für ihre Roheit Strafe verdienen, ziemt es uns noch nicht zu ihrer Bestrafung zu eilen, schon um der Rücksicht willen, die wir dem Volke schulden, damit auch hierin wir Guten uns von den Bösen unterscheiden, dass wir nicht nur prüfen, ob jemand Züchtigung verdient, sondern auch ob es angemessen sei, dass er sie durch uns erleide“. 246 Darauf bog er vom Wege ab und führte das Volk einen andern Weg, da er alle Strassen dieses Landes von jenen mit Wachen besetzt sah, obwohl sie keine Schädigung zu befürchten hatten und nur aus Neid und Missgunst ihnen ein Vorrücken auf dem kürzesten Wege nicht gestatten wollten. 247 Das aber war der deutlichste Beweis für ihr Unbehagen über die Erlangung der Freiheit durch unser Volk, während sie offenbar Freude empfunden hatten, solange es die bittere Knechtschaft in Aegypten zu
Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloMos1GermanBadt.djvu/063&oldid=- (Version vom 1.8.2018)