Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn | |
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Auch Juda sagt (1 Mos. 43, 10): „Wenn wir nicht gezögert [p. 510 M.] hätten, wären wir schon zweimal zurückgekehrt“; er sagt nicht: „wären wir nach Ägypten hinabgegangen“, sondern: „wären wir von dort wieder glücklich heimgekehrt“. 256 Mit Recht wundert sich auch Jakob, daß der im Körper befindliche Geist, Joseph, noch tugendhaft „lebt“ und über den Körper „herrscht“,[1] nicht aber von ihm beherrscht wird. Man könnte noch durch Betrachtung anderer Beispiele die Wahrheit aufspüren; aber nicht hierüber wollen wir jetzt gründliche Untersuchungen anstellen, wir müssen uns daher wieder unserem Gegenstande zuwenden. – 257 Die dritte Art (erwähnt die Schrift), wo sie sich über die Schöpfung des Weibes ausspricht: „Gott ließ nämlich“, sagt sie, „auf Adam eine Ekstase fallen, und er entschlief“ (1 Mos. 2, 21), wo sie die Ruhe und Stille des Geistes als Ekstase erklärt. Denn der Schlaf des Geistes ist das Wachsein der Sinne, und das Wachsein des Geistes ist die Untätigkeit der Sinne.[2] [52] 258 Von der vierten Art ist diejenige, die wir hier betrachten. „Gegen Sonnenuntergang fiel eine Ekstase über Abraham“. Es ist die Seelenstimmung des Gotterfüllten, Gottgetragenen. Aber nicht dieser Satz allein bezeichnet ihn als Propheten, sondern auch ein ausdrückliches Wort in der heiligen Schrift, als man versuchte, die ihrer Natur gemäß herrschende Tugend – Sarra – von ihm zu trennen, als ob sie nicht das eigentümliche Besitztum des Weisen allein wäre, sondern das eines jeden, der Einsicht heuchelt. „Gib zurück“, sagt sie nämlich, „das Weib dem Manne, denn er ist ein Prophet und er wird für dich beten und du wirst leben“ (1 Mos. 20, 7). 259 Jedem Weisen aber bezeugt die heilige Schrift prophetische Kraft; ein Prophet kündet ja nichts Eigenes, sondern nur Fremdes, da ein anderer in ihm spricht. Ein Schlechter kann nicht Gottes Dolmetsch werden, weshalb kein Unsittlicher in Gottesbegeisterung gerät und diese nur dem Weisen zukommt, weil er allein ein tönendes Instrument Gottes ist, das von ihm unsichtbar berührt und angeschlagen wird.[3] 260 Alle wenigstens, die die Schrift als „Gerechte“ schildert, läßt sie als Propheten auftreten. Noah ist gerecht, und ist er nicht zugleich ein Prophet? Hat er nicht die Segnungen und Flüche, die er über die nachfolgenden Geschlechter aussprach und die durch die Wahrheit der Tatsachen bestätigt wurden, in Gottesbegeisterung
Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/69&oldid=- (Version vom 4.8.2020)